Sechsjähriger erstochen
Nach Joels Tod – Kommt der 14-Jährige ohne Strafe davon?
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Henning Stallmeyer
Auch wenn die Polizei im Fall des getöteten Joel (6) einen Hauptverdächtigen festgenommen hat, gehen die Ermittlungen weiter. Es gilt, weitere Beweise zu finden, um vor Gericht eine wasserdichte Anklage präsentieren zu können, kündigten Polizei und Staatsanwaltschaft an.
Wann die Begutachtung erfolgen kann, ist noch offen
Nach der Festnahme des 14-jährigen Tatverdächtigen, der wie Joel aus Pragsdorf kommt, wird nun die Kleidung des Jugendlichen von der Polizei genauer analysiert. Spezialisten des Landeskriminalamtes suchen nach Spuren, die mit dem Verbrechen an dem Sechsjährigen zusammenhängen, wie eine Polizeisprecherin am Mittwoch in Neubrandenburg sagte. Der 14-Jährige war am Dienstag in der Wohnung der Familie in dem Dorf festgenommen worden. Er soll den Sechsjährigen am 14. September in einem Gebüsch an einem Bolzplatz in Pragsdorf schwer misshandelt und erstochen haben.
Der Tatverdächtige sitzt seit Dienstag in Untersuchungshaft in Neustrelitz. Zu den Vorwürfen schweigt er nach wie vor, auf Anraten seines Anwalts. Er soll außerdem von einem Experten psychiatrisch begutachtet werden, kündigte die Staatsanwaltschaft an.
Von dieser Einschätzung hänge viel ab, erklärte Oberstaatsanwältin Beatrix Heuer auf Nordkurier-Nachfrage. Zum Beispiel ob der Tatverdächtige überhaupt strafmündig ist. Zwar hat der Jugendliche das erforderliche Alter erreicht, denn in Deutschland kann mit 14 nach Jugendstrafrecht zur Verantwortung gezogen werden, jedoch gibt es Ausnahmen. Das Jugendstrafrecht sieht vor, dass ein Jugendlicher (14 bis 18 Jahre alt) dann (und nur dann) strafrechtlich verantwortlich ist, „wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln."
Sollte das Gutachten zur Einsicht kommen, dass der Tatverdächtige das nicht unterscheiden kann, wird er nicht strafrechtlich verfolgt. Dann würde man andere Konsequenzen in Betracht ziehen. Zum Beispiel durch die Unterbringung in einer Psychiatrie. Das Gutachten entscheidet aber nicht nur darüber, ob der Tatverdächtige überhaupt belangt werden kann, sondern mit unter auch darüber, wessen Vergehen man ihn anklagt.
Der vorläufige Haftbefehl gegen ihn lautet Totschlag (der Nordkurier berichtete). Sollte das Gutachten aber zu dem Ergebnis kommen, der Tatverdächtige erfüllt gewisse Mordmerkmale, zum Beispiel Grausamkeit oder Mordlust, dann könne die Staatsanwaltschaft auch eine Mordklage anstreben.
Dafür sieht das Jugendstrafrecht eine Strafe bei Kindern zwischen 14 und 18 Jahren von bis zu zehn Jahren vor. Das ist auch das absolute Straf-Maximum und gilt nur bei extremen Gewaltverbrechen wie Mord. Anders als beim Erwachsenenstrafrecht müssen Sanktionen nämlich immer erzieherisch und somit präventiv ausgerichtet sein. Damit ist das Jugendstrafrecht kein Tat-, sondern ein Täterstrafrecht.
Andere Länder handhaben das übrigens anders. In England werden Kinder mit zehn Jahren strafmündig, in den Niederlanden oder Ungarn ab zwölf. Bundesweit steigt übrigens die Zahl von straffälligen Kindern. 2021 gab es rund 3.500 tatverdächtige Kinder mehr als 30 Jahre zuvor. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik hervor.
Wann die psychologische Begutachtung des Tatverdächtigen erfolgen soll ist noch nicht klar. Dafür müsse erst ein Sachverständiger mit den nötigen Kompetenzen gefunden werden, sagte Oberstaatsanwältin Heuer. Bis dahin konzentrieren sich die Ermittler darauf, alle ungeklärten Fragen in dem Tötungsdelikt aufzuklären.