Gerichtsbericht
Wenn Polizisten kommen, sieht er rot
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Thomas Beigang
Der weiß, was sich gehört. Jedenfalls in Sachen Anzugsordnung. In Schlips und Kragen, mit Jackett und seidig glänzender Weste sitzt der Mann auf der Anklagebank im Neubrandenburger Amtsgericht. Da sitzen heutzutage viel zu oft Leute in Jogginghosen und Kapuzenpullovern, ohne dass sich Richter daran stören.
16 Mal saß er schon vor Gericht
Der 44–Jährige aus einer Kleinstadt bei Neubrandenburg, nach eigenem Bekunden Landwirt von Beruf, weiß aber viel zu oft nicht, was sich sonst noch gehört. 16 Mal schon saß er als Angeklagter vor Gerichten in der Vier–Tore–Stadt, in Stralsund, Hamburg oder Berlin. Wie ein roter Faden zieht sich durch, dass er andere bedroht und beleidigt. Und eine Zielgruppe darunter, die der Kleinstädter anscheinend so überhaupt nicht leiden kann: Polizisten. Regelmäßig gerät er mit uniformierten Ordnungshütern in Konflikt, etwa dann, wenn die sein Grundstück betreten müssen, um gewissen Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Im vergangenen Mai schon wieder. Immerhin zu viert, darunter machen es Polizeibeamte bei dem gut bekannten Kandidaten nicht mehr, fuhren sie zu dessen Wohnung und präsentiertem dem zu oft wütenden Mann einen aktuellen Haftbefehl. Weil er eine damals vom Gericht verhängte fällige Geldstrafe partout nicht bezahlen wollte, sollte er in Haft genommen werden. Ersatzfreiheitsstrafe heißt das. Mehr als zehn Prozent aller hinter Gittern schmorenden Frauen und Männer sitzen dort, weil Geldstrafen nicht bezahlt wurden. Kritiker der Ersatzfreiheitsstrafen bemängeln vor allem, dass vor dem Gesetz hier von Gleichheit keine Spur sei: Wer eine Geldstrafe bezahlen kann, bezahlt sie. Wer das nicht kann, muss ins Gefängnis.
Schließlich mussten Handschellen her
Jedenfalls kam es bei dem Besuch des Schuldners zu unliebsamen Szenen, wie von den Polizisten befürchtet: Der Mann rastete völlig aus und beschimpfte die Vertreter des Staates unflätig. Er drohte an, den Polizisten aufs Maul zu hauen und ihnen die Ohren abzuschneiden. Und das war noch fast das Harmloseste. Die Beamten, als Zeugen vor Gericht, berichteten noch Schlimmeres. Sie mussten dem Delinquenten sogar noch Handschellen anlegen, als der mit einem Pflasterstein in der Hand vor ihnen stand.
Er habe aber doch das Recht, sich zu wehren, unternimmt der Angeklagte einen Versuch der Verteidigung. Der Haftbefehl und alles andere davor seien Unrecht gewesen, will er erkannt haben.
Zum Anti-Aggressions-Training verdonnert
Das Gericht schließt sich der Forderung der Staatsanwaltschaft nach einer achtmonatigen Freiheitsstrafe wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung an und setzt die Strafe zur Bewährung aus. Zusätzlich wird der Landwirt zu 1000 Euro Geldbuße verurteilt und muss an einem Anti-Aggressions-Training teilnehmen.