Jubiläum

Wirklich schon 550 Jahre alt – Dorf feiert trotzdem

Wodarg / Lesedauer: 7 min

Wodarg feiert sein 550. Dorfjubiläum. Zahlreiche Familien sind seit Generationen mit dem einstigen Gut verbandelt oder wohnen hier schon lange. Da werden viele Erinnerungen wach.
Veröffentlicht:10.06.2023, 18:02

Von:
  • Kai Horstmann
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Am nächsten Wochenende wird in Wodarg groß gefeiert, denn das Dorf feiert seinen 550 Geburtstag. Ob das so stimmt, da gibt es unterschiedliche Meinungen. Laut dem Ortschronisten Alfred Heidler wurde Wodarg 1473 erstmals urkundlich erwähnt.

Andere behaupten, dass Wodarg 1248 als Siedlung an einer wichtigen Handelsroute zwischen Hamburg und Stettin erwähnt worden sei. Dabei ist die Rede von der Burg Corenow, diese liegt aber etwa zwei Kilometer nordwestlich von Wodarg und ist heute nur noch als Burgruine vorhanden. Egal wer nun recht hat, es werden nun mal die 550 Jahre Wodarg gefeiert.

Werner und Angela Kriemann wohnen jetzt in der alten Schmiede. (Foto: Kai Horstmann)

Stasi bat den Maurer, zu bleiben

Besonders auffällig ist, dass viele Familien eng mit der jüngsten Geschichte Wodargs verbunden sind. Wenn man durch das Dorf geht, fällt unter anderem ein Feldsteingebäude auf. An der Giebelwand steht „Alte Schmiede“. Mit Werner Kriemann wohnt wirklich jemand hier, der früher als Schmied und Schlosser gearbeitet hatte. Aber viele Dinge sind ganz anders, als wie sie auf den ersten Blick erscheinen, denn Kriemann und seine Frau Angela kommen aus Darmstadt. „Mein Vater Werner war das jüngste von fünf Kindern“, berichtet Werner Kriemann. „Mein Großvater Hermann war Schäfermeister bei der Gutsfamilie Gerhard von Maltzahn. Auch mein Vater arbeitete hier als Schäfer und ging nach dem Zweiten Weltkrieg nach Darmstadt und arbeitete dort als Maurer, während ein großer Teil der Familie hierblieb.“

In der alten Schmiede wohnen jetzt Angela und Werner Kriemann. (Foto: Kai Horstmann)

Gewohnt hatte die Familie seines Vaters im Schäferhaus, das direkt gegenüber der Schmiede stand. 1955 besuchte Kriemann im Alter von fünf Jahren zum ersten Mal mit seinem Vater Wodarg. Ein weiterer Besuch fand sechs Jahre später statt. Dann brach der Kontakt ab. „Die Stasi hatte sich bei meinem Vater gemeldet und darum gebeten, nach Wodarg zu ziehen, weil die DDR dringend Maurer suchte. Das war meinem Vater zu unheimlich.“

In die Heimat der Eltern zurück

Nach der Wende kam die Idee auf, mit der Familie Wodarg zu besuchen. Jedoch ging es seinem Vater gesundheitlich nicht gut. Kriemann versprach ihm, wenn er wieder fit ist, gemeinsam dahin zu fahren.

Die erste Fahrt 1995 von Darmstadt nach Wodarg hat dann sein Vater nicht mehr erlebt. Dafür gab es ein Treffen mit Familienangehörigen, eine Freundin seines Vaters erkannte Kriemann gar auf der Straße. Leider stand da das Schäferhaus nicht mehr, in dem sein Vater einst wohnte. Im darauffolgendem Jahr trat dann Angela in sein Leben und besuchte später mit ihm Wodarg. „Hier entdeckten wir für uns die alte Schmiede, die damals noch ganz anders aussah“, schildert Angela Kriemann.

1999 konnte das Ehepaar dann die Schmiede kaufen. Dabei geholfen hat Helmut von Maltzahn, der damals ebenfalls bei Darmstadt lebte und auch wieder in die Heimat seiner Eltern zurückgekehrt ist. Dieser hätte gerne das Gutshaus Wodarg gekauft, dass früher seiner Familie gehört hatte. Aber der Besitzer verlangt eine viel zu hohe Summe. So verfällt das prächtige Gebäude immer mehr, in dem bis zur Wende unter anderem ein Kindergarten und ein Konsum untergebracht waren.

Das einst prächtige Gutshaus zerfällt immer weiter, obwohl Helmuth von Maltzahn das Bauwerk retten möchte.  (Foto: Kai Horstmann)

Nach dem Kauf verbrachten die Kriemanns jede freie Zeit, um die Schmiede zu sanieren. 2011 konnten sie die Arbeit beenden, sie verkauften ihr Haus in Darmstadt und zogen dann nach Wodarg. Obwohl Angela Kriemann eigentlich in ihre alte Heimat, die Lüneburger Heide, ziehen wollte, ist sie in Wodarg glücklich. „Es war die beste Entscheidung, die wir nie bereut haben. Hier haben wir unser Glück gefunden. Die Landschaft ist sehr schön, mit den Menschen hier haben wir uns gut angefreundet.“

Im Haus wohnen, das der Großvater baute

Einer ihrer guten Nachbarn ist Rainer Achterberg, der von ab 1992 für zwölf Jahre Bürgermeister der Gemeinde Werder war, und seine Frau Michaela. Beide kennen sich schon aus der Kindheit und haben im Wendejahr geheiratet. Heute leben sie in dem Haus, welches sich sein Opa Willi gebaut hatte. Jedoch ist dieses mit dem heutigen Wohnhaus nicht vergleichbar. Aber nicht nur das Haus hat sich im Laufe der Zeit wesentlich verändert. „Ich komme aus Kölln und wollte als Jugendliche hier weg, in eine Stadt ziehen. Heute bin ich sehr glücklich, mit meinem Mann und unseren beiden Kindern hier in Wodarg zu leben“, sagt Michaela Achterberg, die in Grapzow den Kindergarten leitet.

Ihr Mann hatte auch als Bürgermeister dafür gesorgt, dass sich in Wodarg die Zeiten ändern. So wurde in seiner Amtszeit in Wodarg das Gemeindehaus modernisiert und einzelne Straßen– und Fußwegeabschnitte saniert. Achterberg wurde 1960 geboren und lebt seitdem in Wodarg. Sein Dorf hat er kaum verlassen, viel zu sehr fesseln ihn die Bilder seines Heimatdorfes. Hier ging er zur Schule, in dem Klassenraum wurden zwei Klassen zugleich unterrichtet.

Michaela und Rainer Achterberg sind in Wodarg sehr glücklich. (Foto: Kai Horstmann)

Allein wenn er aus dem Gartentor hinausgeht, dann ist er sofort im Park des Gutshauses, der heute Gemeindeeigentum ist. Als Jugendlicher hatte er hier öfters gespielt. Im Park steht eine rund 300 Jahre alte Kastanie. An deren Ast wurde eine Leinwand für den Kinoabend aufgehängt.

Schweine unter der Linde geschlachtet

Ein paar Meter weiter ist eine mächtige Linde, die Erinnerungen weckt. „Dort schlachtete die LPG immer mal wieder ihre Schweine, die in der Gutsküche für die LPG–Mitarbeiter zubereitet wurden“, schildert Rainer Achterberg. „Auch in unserer Familie wurde zweimal im Jahr ein eigenes Schwein geschlachtet. Diese wurden unter unserer großen Familie aufgeteilt, denn allein meine Oma Lina hatte 24 Enkel.“

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Sein Opa Willi bekam als Aussiedler 1952 die Hofstelle in der sogenannten Stalinallee mit zwei Säcken Zement zugewiesen, woraus er hauptsächlich aus Lehm das Haus baute. In Achterbergs Jugendzeit gab es im Dorf etwa 300 Enten und Gänse. Diese wurden morgens mit Seilen zum nahen Dorfteich getrieben und abends wieder zurück in die Ställe. Manchmal gab es Ärger, weil eines der Tiere nicht im richtigen Stall landete. Zudem gab es sechs Pferdegespanne. Was heute undenkbar ist, war damals Alltag. Nach getaner Arbeit fuhren diese und die Trecker in den Dorfteich, um sie zu waschen.

Wodarg besitzt einen schönen Dorfteich, wo früher einmal Pferdegspanne und Trecker gewaschen wurden. (Foto: ai Horstmann)

„Leider gibt es heute weder Kindergarten, Schule, Poststelle, Konsum oder die Gaststätte in Wodarg. Im Laufe der Zeit wurde alles geschlossen“, sagt Rainer Achterberg. „Trotzdem ist Wodarg schön. Das sieht man allein auf den Kremserfahrten durch die Natur.“

Heute fehlen Kinder und Schafe

Alfred Heidler ist der Ortschronist und hat auch sonst alle Hände voll zu tun. (Foto: Kai Horstmann)

Alfred Heidler setzt als Ortschronist die Arbeit zweier Frauen fort, die in einer ABM–Gruppe die Geschichte Wodargs bis 1996 aufschrieben. Für ihn haben sich die Zeiten in Wodarg grundlegend geändert.  Gab es früher einmal 1000 Schafe, so sieht man heute noch kaum eines. „Wodarg ist arm geworden“, stellt Alfred Heidler fest. „Zumindest was die Kinder anbetrifft. Deren Anzahl ist stark gesunken. Das Gutshaus verfällt leider immer mehr. Aber es sind auch neue Häuser entstanden und andere saniert worden.“

Dorfgeschichte aus

Wodarg
(Mecklenburgische Seenplatte)

Zuerst wurde 1248 urkundlich eine Wasserburg mit dem Namen Corenow erwähnt. Diese soll aus unbekannten Gründen untergegangen sein. 1473 soll dann Wodarg als Schäferei des Ritterguts gegründet worden sein. Gesichert ist aber, dass 1733 die Adelsfamilie von Walsleben das Gutshaus errichten ließ. Das Gut wurde dann 1877 von Freiherr Helmuth von Maltzahn-Gülz aufgekauft. Die Familie von Maltzahn war bis 1945 Besitzer des 900 Hektar großen Gutes. Heute hat Wodarg 118 Einwohner.