Wofür braucht es Bio-Läden, wenn es Bio im Discounter gibt?
Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Der Umsatz in der Bio-Branche ist im vergangenen Jahr zurückgegangen. Spüren Sie das in Ihrem Laden auch?
Ja, logisch. Es wäre ja Wahnsinn, wenn nicht. Nach diesen beiden Corona-Jahren hat sich die gesamte Gesellschaft, unabhängig von den Krisen, die jetzt noch dazu gekommen sind, wieder umorientiert. Man kann Urlaub machen, die Gastronomie ist offen und dementsprechend haben wir Rückgänge.
Wir sind aber in der glücklichen Situation, dass wir nicht mit den branchentypischen Rückgängen zu kämpfen haben. Unser Stammklientel stellt sich treu auf unsere Seite.
Woran liegt das?
Ich bin in bundesweiten Netzwerken verankert. Der Austausch zeigt, dass die, die über Jahre eine Kundenbindung betrieben haben, ein Stück weiter vorne sind. Das sind die, die ihre Werte transportiert haben und transparent zeigen, wo die Produkte herkommen. Wir haben unseren Kunden kontinuierlich vermittelt, dass wir es ernst meinen. Wir machen Bio nicht, weil es ein Trend ist.
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Wozu bracht es Biomärkte, wenn ich auch im Discounter Bio kaufen kann?
Grundsätzlich ist es gut, dass Bio von einer breiteren Masse konsumiert wird. Aber das, was uns von einem Discounter unterscheidet, ist, dass wir nicht fünf Prozent Bio-Sortiment haben, sondern 99,9 Prozent. Plus: Wir versuchen auf Augenhöhe zu agieren und zahlen den Produzenten die Preise, die sie zum Leben brauchen.
Und wir transportieren Werte. Dahinter stehen Themen wie Verpackungsvermeidung, grundsätzlich weniger Lebensmittel für die Tonne zu produzieren und so weiter. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Biofachhandel – also wir – und unsere Produzenten, mit einem ganz anderen Wertesystem handeln.
Dienen Biolebensmittel dazu, viele Menschen zu versorgen? Oder nur dem guten Gewissen der Wohlhabenden?
Jedes Bioprodukt hat seinen Preis. Aus meiner Sicht ist der gerechtfertigt, denn es sind reale Preise. Wenn ich im konventionellen Handel ein Produkt kaufe, sind da nicht die Kosten mit eingerechnet, die durch Pestizide auf dem Acker und Verunreinigung unseres Wassers verursacht werden.
Jeder, der bis drei zählen kann, weiß, dass man zu dem Mini-Preis im Discounter die Produkte nicht produzieren kann. Wenn wir wollen, dass die Wertschöpfung in unserer Region bleibt, wenn wir wollen, dass die Bauern nicht aufgeben, muss es faire, reale Preise geben. Dass das ein Stück weit der deutschen Mentalität wehtut, ist eben so.
Können Sie trotzdem die Menschen verstehen, die sich die Produkte einfach nicht leisten können?
Selbstverständlich. Ich bin ja jetzt nicht der Diktator, der vorschreibt, was gut und was schlecht ist. Ich denke, dass aber alle Menschen akzeptieren müssen, dass es Veränderungen geben muss. Auch einschneidende Veränderungen. Der Klimawandel tickt und wird rapide an Geschwindigkeit zunehmen. Davon bin ich zumindest fest überzeugt. Unabhängig davon steht es mir nicht zu, irgendjemanden zu zwingen.
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Können Märkte wie Ihrer denn eine wirkliche Veränderung bringen? Oder bleibt es eine Nische?
Dass wir mit unserem Fachgeschäft nicht ganz Neubrandenburg versorgen können, ist klar. Wir sind für einen Teil der Menschen da, die Lust darauf haben, regional, saisonal zu kaufen.
Während Corona ist aber deutlich geworden, dass unsere regionalen Wertschöpfungsketten belastbar waren. Wir waren in der Lage, hier vor Ort zusammenzuarbeiten. Das war auch der Moment, wo sich viele Menschen für regionale Produkte entschieden haben. Das ist jetzt ein bisschen anders, aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir irgendwann wieder zu diesem Punkt kommen.
Das heißt, die fallenden Umsätze sind nur eine Phase?
Bio an sich wird ja nicht weniger gekauft. Aktuell ist es so, dass der Biofachhandel und viele kleine, regionale Produzenten Absatzprobleme haben, weil viele Konsumenten als Erstes an ihren Geldbeutel denken. Das ist auch okay. Aber wenn man diesen Strukturen nicht die Treue hält und von dem kleinen Bauern die Kartoffeln kauft, die Eier, oder was auch immer, dann muss man sich in zwei, drei Jahren nicht beschweren, wenn es das nicht mehr gibt.