Eklat auf Ratssitzung
Woher kommen die Mobbing-Vorwürfe gegen Silvio Witt?
Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Mirko Hertrich
Der Anlass scheint bis auf die Frage des Geldes vergleichsweise nichtig. Eine Mehrheit in der Neubrandenburger Stadtvertretung wünscht sich einen 2. Beigeordneten für Oberbürgermeister Silvio Witt, was die Kommunalverfassung erlaubt. Brisant war allerdings die Begründung für den Vorstoß, vorgetragen am Donnerstag durch das Präsidium der Stadtvertretung. Dem OB wird mehr oder minder unverblümt Mobbing von Mitarbeitern seines Hauses vorgeworfen, aber ohne konkrete Namen zu nennen. Dem soll ein 2. Beigeordneter entgegenwirken.
Witt verwundert über „unkonkrete und scharfe Vorwürfe”
Silvio Witt sagte dem Nordkurier am Freitag auf Anfrage, „dass solche unkonkreten und scharfen Vorwürfe in einer öffentlichen Sitzung der Stadtvertretung geäußert werden, ohne sich vorher darüber auszutauschen, wirft viele Fragen auf“. Er hoffe sehr, dass der Stadtpräsident Dieter Stegemann (CDU) als Autor dieser Vorwürfe nun das Gespräch suche und „zur geübten Praxis des fairen Miteinanders und Austausches“ zurückkehre.
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Stegemann war am Donnerstag nicht bei der Sitzung anwesend und dem Vernehmen nach im Urlaub, vorgetragen wurde die Begründung von seiner Stellvertreterin Renate Klopsch. Der Zeitpunkt für die „Abrechnung“ scheint bewusst gewählt: Der Tag, an dem der alte und neue Rathauschef seinen Amtseid leistete. Der parteilose Politiker war Mitte Januar mit einem haushohen Vorsprung wiedergewählt worden, eine Hausmacht im Stadtparlament hat er aber nicht, obwohl Witt von SPD, FDP und nach leichtem Zögern auch von der CDU bei der Wahl unterstützt worden war. Vertreter von SPD und Grünen sprachen aber am Tag nach dem Eklat in der Stadtvertretung von einem "Tiefpunkt" im Umgang zwischen den Abgeordneten und dem Rathaus-Chef.
Kritik nur hinter vorgehaltener Hand
Silvio Witt, zuvor Kabarettist und Kommunikationsberater, war 2015 erstmals zur OB-Wahl angetreten und hatte doch etwas überraschend die heute noch amtierenden Fraktionschefs von CDU und SPD, Diana Kuhk und Michael Stieber, aus dem Feld geschlagen. In der Stichwahl vor sieben Jahren setzte er sich damals gegen Torsten Koplin (Linke) durch.
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Der erste Amtsantritt erfolgte in schwieriger Zeit, die Stadt war hoch verschuldet. Mittlerweile ist diese Altlast weg, dafür musste in der Konsolidierungsvereinbarung mit dem Land aber auch Personal angebaut werden. Witt hatte unter anderem damit geworben, die Verwaltung zu straffen und zu modernisieren und startete, nachdem sein Vorgänger Paul Krüger einen eher als autistisch empfundenen Führungsstil pflegte, mit einigen Hoffnungen in und außerhalb des Rathauses. Doch inzwischen gibt es hinter vorgehaltener Hand Kritik: Der Umgang des Ratshaus-Chefs mit Mitarbeitern wird mitunter als herabsetzend und selbstherrlich empfunden.
Ein unübliches Parteien-Bündnis
Durchgedrückt wurde der mit harscher Kritik an Witt verbundene Antrag am Donnerstag in einer Hauruck-Aktion von einem Dreierbündnis in der Stadtvertretung, das es so eigentlich gar nicht geben dürfte. Seit gut zwei Jahren stimmen CDU, Linke und AfD mittlerweile regelmäßig zusammen ab, beispielsweise bei der Entscheidung über den Schwimmhallen-Standort. Und das, obwohl die Christdemokraten eigentlich Unvereinbarkeitsbeschlüsse für den Umgang mit beiden anderen Parteien haben. Linke und AfD dürften qua Bundesbeschluss ersterer auch nicht zusammenarbeiten. Gezielte Absprachen werden von den Neubrandenburger Akteuren aber bestritten.
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Auf rund 140 000 Euro im Jahr werden im Rathaus die Sach- und Personalkosten für einen 2. Beigeordneten beziffert. Der am Donnerstag beschlossenen Antrag führte in seiner ursprünglichen Fassung an, dass keine direkten Kosten für den städtischen Haushalt anfallen. Diese würden erst nach der Wahl und mit dem Beschluss zur Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zu berücksichtigen sein. Dies wurde auf den letzten Drücker dahingehend geändert, dass Personal- und Sachkosten „für das Jahr 2023 einzuplanen“ sind. Eine konkrete Summe: Fehlanzeige.
Was sagt das Innenministerium dazu?
Der Zeitpunkt für das Inkrafttreten wurde ebenfalls nach einem Hinweis der Verwaltung auf 1. Januar 2023 geändert. Nach ursprünglichen Plänen hätte die Satzung gleich nach Veröffentlichung inkrafttreten sollen. Das Innenministerium als kommunale Rechtsaufsicht muss dem noch zustimmen. Angesichts der hohen Kosten könnte hier ein Nein kommen, zumal gerade erst die Schuldenfreiheit Neubrandenburg verkündet wurde.