Carsten Stahl
▶ Wut-Video zur Neubrandenburger Frühchen-Station
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Tim Prahle
Die Neubrandenburger Frühchen-Station ist um einen prominenten Unterstützer reicher. Carsten Stahl, TV-bekannt und seit Jahren als Gewaltpräventionsberater und Mobbing-Bekämpfer unterwegs, hat sich nun in einem Video zu dem Behandlungsverbot sogenannter Extrem-Frühchen zu Wort gemeldet. Darin fordert er Krankenkassen und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf, die Kinder „im kleinsten und schwächsten Alter” zu schützen.
Ab 2023 dürfen Neugeborene mit einem Gewicht von unter 1250 Gramm nicht mehr in Neubrandenburg behandelt werden, das Klinikum verliert zudem seinen Status als Perinatalzentrum Level-1. Seit Monaten kämpfen die Klinik-Mitarbeiter, neuerdings auch mit einer Petition für den Erhalt.
Station wird nicht geschlossen
Die Mitarbeiter hätten sich auch an ihn gewandt, erzählt Carsten Stahl in dem zehn Minuten langen emotionalen Video, das seit dieser Woche in den Foren sozialer Netzwerke kursiert. Und er wolle und werde helfen. Trotz der für sozialen Netzwerke eher ungewöhnlichen Länge des Videos verzichtet Carsten Stahl dabei weitgehend auf Differenzierungen.
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So behauptet er mehrfach, die Frühchenstation werde geschlossen. Weil die Quote nicht erfüllt werde und weil „man der Meinung ist, man muss sparen”, schimpft er etwa. Tatsächlich verliert die Kinderklinik jedoch "nur" den Status als so genanntes Perinatalzentrum Level-1, also die Erlaubnis zur Versorgung extremer Frühchen. Das betrifft nur wenige Fälle im Jahr, die "normale" Frühchenstation bleibt hingegen bestehen.
Sparaspekt nicht belegt
Auch die Behauptung, das Behandlungsverbot sei erteilt worden, um Kosten zu sparen, entspricht nicht der offiziellen Begründung der Entscheidung. Laut den Krankenkassen dient die Entscheidung vor allem die Qualitätssicherung, weil Standorte mit wenigen Fällen nicht genug Praxis bei der Behandlung hätten. Allerdings war nach dem Behandlungsverbot und der verwehrten Ausnahmegenehmigung durch die Krankenkassen eine Debatte darüber entbrannt, ob die Mindestmengen tatsächlich alleinige Qualitätsmerkmal sein sollen.
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Verzweiflung, wenn man schon so lange kämpft”
Trotz mancher faktischer Ungenauigkeit haben Mitglieder der Mitarbeitervertretung das Video und die dadurch erzielte Reichweite für ihre Anliegen begrüßt. „Er ist nicht 100 Prozent faktentreu, aber das ist sein Format”, sagte Oliver Kunst von der Mitarbeitervertretung. Es sei nun mal ein emotionales Thema. Und bei Carsten Stahl könne man sich zudem sicher sein, dass er sich wirklich für die Frühchenversorgung in Neubrandenburg einsetze. Genau das hätte man immer wieder bei der Politik vermisst.
„Das ist auch eine gewisse Verzweiflung bei, wenn man schon so lange kämpft", sagte Oliver Kunst. Wenn selbst der Landesregierung die Hände gebunden seien, weil die Krankenkassen einer Ausnahmegenehmigung zustimmen müssen, verstärke das die gefühlte Hilflosigkeit.
Mit Tausenden vor der AOK-Zentrale
Carsten Stahl nimmt sich in seinem Video aber auch noch Silvio Witt zu Brust. Der Neubrandenburger Oberbürgermeister, der bislang auch bei den Mahnwachen gefehlt habe, habe sich nie an ihn gewandt, um gemeinsam für die Frühchen zu kämpfen. „Ich war schon in Neubrandenburg. Über 3000 Menschen haben mit mir ein Zeichen zum Schutz der Kinder gesetzt. Soll ich das wieder machen?”, fragt er. Und an die AOK Nordost, größte Krankenkasse des Landes gerichtet, droht Stahl: „Ich komme dann mit diesen tausenden Menschen vor eure Zentrale.”
Das Klinikum und die Mitarbeiter versuchen mit ihren Mitteln, den Druck hochzuhalten. Mehr als 5000 Unterschriften für die Petition seien bereits gesammelt worden, selbst an Supermarktkassen haben Unterstützer bereits die Listen ausgelegt. Zudem bemüht sich das DBK mit eigenen Videos, bei dem Betroffene zu Wort kommen. Auch diese sind sehr emotional, im Ton jedoch deutlich sanfter.