Züchter-Familie verliert Federvieh an tödliches Virus
Bresewitz / Lesedauer: 5 min

Carina Göls
Diese Bilder gehen ihr nicht mehr aus dem Kopf. „Wie die Gans auch nach der dritten Spritze den Hals noch oben hielt und nicht sterben wollte“. Emma Zingler aus Bresewitz bei Friedland braucht etwas Zeit, um weiter über die Stunden jenes Sonntags reden zu können.
Alle Tiere von Veterinären mit Spritzen getötet
Sie nimmt erneut Anlauf, um zu beschreiben, was die Vogelgrippe auf ihrem heimischen Hof bedeutet: „Wir haben alle geholfen und wuchsen immer mehr in das Hobby meines Mannes hinein, denn das Rassegeflügel, die lebendigen Tiere auf dem Grundstück, das war immer Freude und Arbeit. Fasane, Pfaue, Toulouser Gänse, besondere Rassen wie auch die Schwedengänse, prägten auch den Alltag der Kinder. „Mein Sohn hat sich leidenschaftlich um die Zwergenten gekümmert. Für Kinder ist das schön, die Aufzucht und das Leben eines Tieres zu begleiten und nicht alles Essen als selbstverständlich hinzunehmen.“
Doch nun sei der Sechsjährige kaum zu trösten. Auch die achtjährige Tochter frage immer wieder, wo denn die ganzen Tiere seien, von denen einige sich jüngst noch von ihrer schönsten Seite bei der Landesgeflügelausstellung in Demmin präsentiert hatten.
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Nico Zingler hatte sechs Schwedenenten ausgewählt. Ein paar Tage später gab es erste Vogelgrippe-Symptome auf dem Bresewitzer Hof. „Alle Tiere wurden mit Spritzen getötet, egal, ob man definitiv wusste und Proben genommen hat oder nicht. Alle! Auch die, die topfit waren“, beschreibt Emma Zingler die Arbeit der Mitarbeiter aus den Fachbehörden im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Verstanden habe sie dieses Vorgehen nicht.
Finanzielle Hürden kaum zu meistern
Doch nach dem Verlust der Tiere drückt die junge Familie ein ganz anderes Problem – und das kurz vor Weihnachten: „Wir sollen als Auflage vom Landkreis die Ställe desinfizieren und Seuchenschutzmatten anschaffen, sonst können wir keine neuen Tiere anschaffen. Das verstehen wir ja auch, aber so ein Zehn-Liter-Kanister kostet um die 170 Euro. Und wir haben vier Ställe. Wo sollen wir so viel Geld hernehmen?“, fragt sie und sieht sich und ihre Familie allein gelassen. „Man kann doch nicht etwas fordern und dann keine Unterstützung geben.“ In anderen Landkreisen werde das kulanter gehandhabt, will sie erfahren haben. Zudem sei der Umgang mit der Familie durch die zum Töten angetretene Kollegin wenig sensibel gewesen.
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Beim Landkreis Mecklenburgische Seenplatte betrachtet Pressesprecherin Tilla Steinbach die Kritik als ein Problem, „das man besser zwischen Familie und Fachbehörde hätte klären sollen“. Antworten auf die Nordkurier-Fragen, zum Beispiel zur Hilfe für Züchter beim Kauf von Desinfektionsmitteln und -matten, kann sie ad hoc nicht geben an, sichert diese aber für die nächsten Tage zu.
Sechs Jahre gehörten gefiederte Exoten zum Familienleben der Zinglers. Und auch viele andere der knapp 250 Aussteller aus verschiedenen Bundesländern in Demmin haben durch das Virus lieb gewonnene und auch wertvolle Tiere verloren. Wie die tödliche Krankheit ihren Todeszug antreten konnte, das ist noch nicht geklärt. „Das nützt uns nun aber auch nichts mehr“, winkt Emma Zingler ab.
Genpool von Rassegeflügel drastisch geschrumpft
Eine Schuldfrage hält auch Steffen Kraus, Vorsitzender des Landesverbandes der Rassegeflügelzüchter Mecklenburg-Vorpommern, nicht für angebracht. „Wir haben alle Auflagen erfüllt. Dass es so kommt, das konnte wirklich niemand ahnen. Wir diskutieren natürlich im Verband, wie es dazu kommen konnte, wie man mit dem Problem umgeht und es beim nächsten Mal angeht“, so Kraus.
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Durch die Verluste vieler Tiere sei auch der Genpool von Rassegeflügel drastisch geschrumpft, bedauert er. Denn Anliegen der Hobbyzüchter sei es ja, neben der Freude an den Tieren, die Rassen zu erhalten und fortzuführen. Einige der betroffenen Arten wie die Pommerngans und die Pommernente stünden auf der roten Liste der bedrohten Tierarten.
Landesverband hat Spendenfonds eingerichtet
Der Landesverband habe inzwischen eine Liste ins Internet gestellt, auf der die von der Vogelgrippe betroffenen Rassen und Farbenschläge aufgezählt sind. Diese werde weiter aktualisiert, denn es werde sich erst in der nächsten Zeit herausstellen, wen es alles getroffen hat, sagt Steffen Kraus.
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Finanziell wolle man den betroffenen Züchtern rasch helfen, möchte Steffen Kraus auch Familie Zingler etwas Hoffnung schenken. „Als Verband haben wir einen Spendenaufruf gestartet und richten eine Koordinierungsstelle ein.“ Wer beim Wiederaufbau der „verlorenen Zuchten“ mit Zuchttieren oder Bruteiern helfen möchte und kann, der könne sich an den Landesverband wenden. Eine Welle der Hilfsbereitschaft sei in der Züchterschaft zu spüren. Der Spendenaufruf sowie der Kontakt zur Koordinierungsstelle und die Liste seien auf der Internetseite des Landesverbandes (www.rassegefluegelmv.de) zu finden.
Zu Ausstellungen würden wir wohl nicht mehr fahren
Für Emma Zingler und ihren Mann Nico mag das ein Trost sein. Doch mit dem Züchten wollen sie sich auch nach der Desinfektion nicht mehr ganz so auf ihr altes Hobby einlassen. „Und zu Ausstellungen würden wir wohl nicht mehr fahren“, wie die 28-jährige Bresewitzerin meinte. „Das hat alles zu weh getan.“