Kriegsende 1945
Wunderschöner Flieder in Neubrandenburg soll an Grausames erinnern
Neubrandenburg / Lesedauer: 2 min

Nordkurier
Zwei Flieder erinnern am Tollensesee in Neubrandenburg an die Kinder und Jugendlichen, die in den letzten Tagen des Krieges und an dessen Folgen verstarben. Stadtpräsident Jan Kuhnert (Linksfraktion) pflanzte am Freitag die beiden Büsche am Gedenkort für die Opfer des Kriegsendes gemeinsam mit Stadtvertretern und dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Manfred Dachner (SPD).

Suizid ganzer Familien
Jan Kuhnert sagte, die beiden Flieder sollten den Menschen ein ehrendes Gedenken setzen, die 1945 kurz vor Einzug der Roten Armee den Freitod gewählt hätten und ins Wasser gegangen seien. Teils hätten ganze Familien Suizid begangen. Die städtische Koordinatorin Gedenkarbeit, Bianka Bülow, gab zu bedenken, NS–Deutschland habe nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 einen Vernichtungskrieg geführt. Die Vergeltungsmaßnahmen dafür seien auf die deutsche Zivilbevölkerung umgeschlagen.
320 Kinder und Jugendliche gestorben
Von April bis Ende Dezember 1945 verstarben in Neubrandenburg über 2000 Menschen unmittelbar infolge des Kriegsendes, wie eine Auswertung der standesamtlichen Urkunden durch das Stadtarchiv Neubrandenburg unter Leiterin Eleonore Wolf ergab. Sie wurden Opfer von Seuchen, Hunger, Gewalt und nicht zuletzt der NS–Propaganda, die Familien den Suizid wählen ließ — etwa durch Ertränken im Tollensesee. Die Anzahl der erfassten verstorbenen Kinder und Jugendlichen beläuft sich dabei auf 320.
Höhere Dunkelziffer bei den Opfern
Es sei davon auszugehen, dass nicht alle Opfer im „Chaos des Krieges“ registriert worden seien und es eine hohe Dunkelziffer gebe, sagte die Bianka Bülow. Viele Kinder und Jugendliche seien auch infolge mangelhafter Versorgung mit Lebensmitteln, Brennholz oder Seife gestorben. Letzteres habe in den Monaten nach dem Krieg eine Krankheitswelle ausgelöst.
Viele in Neubrandenburg und anderen Städten im Land seien ein Typhus, Diphtherie und Tuberkulose gestorben. Die Koordinatorin Gedenkarbeit fügte hinzu, auch heute noch lebe jedes fünfte Kind in einem Kriegs– oder Krisengebiet. Hunderttausende kämen jedes Jahr ums Leben.