Jubiläum

100 Jahre, und noch keinen Tag vergessen

Priepert / Lesedauer: 3 min

Ursula Wollf kann einige Geschichten aus ihrem langen Leben erzählen, denn sie kann sich noch an alles erinnern: die Verkleidung als alte Frau, die Liebe ihres Lebens und mehr. 
Veröffentlicht:19.09.2023, 13:18

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Am Geburtstag bleibt der Rollator in der Wohnung. „Sonst denken die Anderen ja, ich bin schon alt“, meinte Ursula Wolff mit neckischer Stimme an ihrem Geburtstag. Die Jubilarin hat am Montag in Priepert ihren 100. Geburtstag gefeiert.

Noch keinen Tag aus ihrem Leben vergessen

Gestützt, aber festen Schrittes ging sie zu ihren ersten Gästen, die schon an der Festtafel im Außenbereich der Betreuten Wohneinrichtung Platz genommen hatten. Dort empfing sie ein gut 20-stimmiger Chor aus Bewohnern und Betreuern und beglückwünschte Ursula Wolff. Sie sei für ihr hohes Alter noch sehr fit und habe aus ihrer langen Lebenszeit noch keinen Tag vergessen.

Geboren wurde Ursula Wolff am 18. September 1923 in Wustrow und blieb ihrem Heimatdorf bis 2015 treu. Ihre acht Schuljahre absolvierte sie im Dorf mit allen Klassenstufen gemeinsam in einem Raum. Anschließend leistete sie ihr Pflichtjahr bei Bauunternehmer Seifert in Rheinsberg ab, wo sie wie eine Tochter aufgenommen worden sei und das Kochen lernte. Mit 16 Jahren folgte ein Abstecher als Haushaltshilfe zu einem Notar in Neustrelitz und in einer Pension, bevor sie schließlich unter den Nationalsozialisten ihren Arbeitsdienst in Berlin antreten musste. Dort wählte sie den Job einer Straßenbahnfahrerin, in die Munitionsproduktion wollte sie nicht.

Als alte, kranke Frau verkleidet

„Einen richtigen Beruf habe ich nie gelernt“, bedauert Ursula Wolff. In Berlin wäre sie gern geblieben. Sie musste jedoch wieder nach Rheinsberg und Wustrow zurück, wo sie unbeschadet die Wirren des Zweiten Weltkrieges überstand. Sie kann sich noch gut daran erinnern, wie sich die Familie in einem selbst gebauten Bunker am Plätlinsee versteckte. „Doch wir wurden entdeckt und mussten ins Dorf zurück“, erzählt Ursula Wolff. Die Mutter habe sie als alte, kranke Frau verkleidet, um sie vor Übergriffen zu schützen. Das habe geklappt. 

Nach dem Krieg kamen viele Flüchtlinge aus dem ehemaligen Ostgebieten. Darunter war ein junger Mann, der erfahren hatte, dass seine Familie in Wustrow untergekommen sein sollte. Doch den Ortsnamen gibt es in Mecklenburg mehrmals. Er lief zu Fuß alle drei Dörfer an, bis er im letzten seine Angehörigen fand. Im Nachbarhaus von Ursula Wolff fand er sein neues Zuhause. „Ich traf mich mit diesem jungen Mann oft an einer Pumpe, wo auch unsere Familie ihr Wasser holte. Wir haben viel geredet und daraus wurde mehr. 1947 verlobten wir uns und am 31. Juli 1948 folgte die Vermählung“, erinnert sie sich.

In Ferienlagern keine Unbekannte

Zwei Töchter zog das Paar groß. Die Wohnverhältnisse zu dieser Zeit waren nicht einfach. Die ganze Familie wohnte in eineinhalb Zimmern. Eine Person schlief sogar auf dem Dachboden. Das besserte sich, als das Haus gekauft werden konnte. Gearbeitet hat Ursula Wolff in der Landwirtschaft, verdiente sich aber durch ihr handwerkliches Geschick mit Nähen einiges dazu. Sie war auch in Ferienlagern rund um Wustrow keine Unbekannte. Dort konnte sie als Küchenhilfe ihr Kochkünste anwenden.

Seit 2015 wohnt die Jubilarin im Pflegezentrum Priepert mit ambulanter Pflege, Tagespflege und betreutem Wohnen, wo sie sich bis vor wenigen Wochen noch täglich selbst ihre Mahlzeiten zubereitete.