Theater-Premiere

Die listigen Lust-Weiber von Wittenhagen

Wittenhagen / Lesedauer: 4 min

Im Luzin Theater geht es am Frauentag zur Sache. Frauen setzen sich gegen die Kriegstreiberei zur Wehr, und zwar mit einem einfachen Trick.
Veröffentlicht:05.03.2018, 17:03
Aktualisiert:05.01.2022, 16:44

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Bammel hatten sie am Anfang alle. Auf eine Bühne vor Publikum zu treten, das konnten sie sich noch halbwegs vorstellen. Aber mit so einem schweren Stück? Nicht nur Petra Klinger, eine der 18 Frauen, die seit gut einem Jahr in Wittenhagener Theater spielen, stand diesem vor zweieinhalb Jahrtausenden entstandenen Klassiker „Lysistrate“ des Dichters Aristophanes zunächst mit ziemlichem Respekt gegenüber. „Das kennt doch keiner mehr“, so die Befürchtung.

Im September saßen die Frauen dann erstmals mit einem dicken Wulst Blätter auf den Brettern, die für sie eine neue Welt bedeuten, und versuchten sich in der ihnen fremde Sprache der Theaterdialoge zurechtzufinden. Wie soll man diese Texte sprechen, wie mit den enthaltenen Anzüglichkeiten umgehen, ohne rot zu werden oder lachen zu müssen? Und wie soll man sich vor allem all die vielen Worte merken? Und wie um Himmels willen gibt man einer Figur auf der Bühne eine Gestalt?

Eine amüsante Parabel

Von den Sorgen von damals ist jetzt, Anfang März, nichts mehr zu spüren. Allenfalls grassiert dieser Herzkasper-Virus, der sich Lampenfieber nennt. Denn am Donnerstag, der auch noch der Internationale Frauentag ist, hat die antike Komödie „Lysistrate“ im Luzin Theater Wittenhagen Premiere. Es ist ein Stück mit beständiger Aktualität. Ein Evergreen, wenn man so will. Es geht um die Kriege in dieser Welt. Und eine höchst amüsante Parabel dazu, die sich auf den einfachen Satz zusammenfassen lässt: Wehrt Euch gegen Kriegstreiber!

Bei Aristophanes‘ Komödie „Lysistrate“ ist das Wehr-Mittel eines, das wohl jeder versteht: Die Frauen verweigern sich ihren Männern. Die sind seit Jahrzehnten mit dem Krieg zwischen Athen und Sparta beschäftigt. Ihre Frauen als Vertreterinnen des nur vermeintlich schwachen Geschlechts verschanzen sich auf der Akropolis und halten ihre listige Lust-Verweigerung durch. Auch wenn es ihnen schwerfällt. Bis die Männer einlenken und Frieden schließen. All dies wird höchst amüsant, eindeutig zweideutig und mit durchaus gewollten Anzüglichkeiten erzählt, während im Hintergrund immer wieder die Kanonen donnern.

Mit dem historischen Text wird vergleichsweise frei umgegangen. „Wir haben die Übersetzung von Ludwig Saeger gewählt, aber es gibt auch eigene Aktualisierungen“, sagt Regisseurin Sylvia Bretschneider. Und es gibt Mundart, wenn auch nicht „up platt“.

Der Weg zur Premiere an diesem Donnerstag führte über intensive Proben und so manche Erkenntnis: „Ich hatte meinen Text gelernt, doch als ich dann auf der Bühne stand, konnte ich damit gar nichts anfangen“, beschreibt Merete de Kruif. Theater aber ist eine kollektive Angelegenheit. Jeder muss auch den Dialog der anderen kennen, damit er die Situation besser versteht und vor allem weiß, wann er seinen Einsatz hat, wann sein Stichwort kommt.

Wie spielt frau einen Mann?

„Ich dachte anfangs, ich kann das gar nicht mehr“, beschreibt Sophie Bonhoff ihren Umgang mit dem Auswendiglernen des Textes. Doch die Befürchtung war unbegründet. Die Dialoge sitzen. Beate Budach hat während der Proben sogar die bayerische Mundart für sich wiederentdeckt. Im Bundesland hinter dem Weißwurstäquator hat sie einige Jahre gelebt. Im Luzin Theater bringt die Mimin im Ehrenamt nun ihre Texte in waschechter bajuwarischer Mundart unter das Publikum.

Vor den teils sehr anzüglichen Dialogen fürchtete sich am Anfang Gisela Mielke. „Ich hatte Schwierigkeiten“, bekennt die Laienschauspielerin. Doch am Ende lief es besser als gedacht. Eine eigene Macht in dem Stück sind die Männer, die ebenfalls von den Frauen gespielt werden. Sandra Schramm musste sich genauso in einen Mann hinein versetzen wie Merete de Kruif. Wie treten Männer auf, wie geben sie sich – da war Beobachtungsgabe gefragt. „Ich habe mir zu Hause meinen Mann sehr genau angeschaut“, bekennt beispielsweise Merete de Kruif.

Noch Karten für weitere Vorstellungen

Am Rande des Geschehens verfolgt Katharina Dietrich die Szenerie auf der Bühne. Sie souffliert und findet sehr lobende Worte für Regisseurin und Theaterpatronin Sylvia Bretschneider. „Ohne sie wäre das hier nicht so gut geworden. Sylvia Bretschneider ist eine hervorragende Theaterpädagogin“. Und das, was sie mit ihrem Partner, dem Regisseur Alejandro Qunintana, mit dem Luzin Theater in Wittenhagen auf die Beine gestellt hat, habe schon manchem Besucher aus dem kulturüberfluteten Berlin höchsten Respekt eingeflößt. „Was hier passiert, ist aller Ehren wert“, verdeutlicht Katharina Dietrich.

Die Premiere von „Lysistrate“ am 8. März ist bereits restlos ausverkauft. Für die Vorstellungen am 10. und 11. März gibt es noch Restkarten. Weitere Aufführungen der antiken Komödie gibt es auch am 14. April, am 27. Mai. Kartenreservierungen unter: 01629166038.