Schülerin aus Neustrelitz

Gretas (11) Corona-Gedicht verschlägt einem die Sprache

Neustrelitz / Lesedauer: 3 min

Zwischen Schnelltest und Unterrichtsbeginn hat eine Elfjährige aus Neustrelitz ihre Gefühle zu Papier gebracht. Heraus kam ein Hilferuf, der wohl für viele Kinder steht.
Veröffentlicht:07.06.2021, 06:37

Von:
  • Heike Sommer
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Als im April die Corona-Selbsttests in den Schulen eingeführt wurden, um den Präsenzunterricht möglich und sicherer zu machen, betraf das auch die elfjährige Greta Holz aus Neustrelitz. Die 15 Minuten Wartezeit, die mit der ungewohnten Prozedur einherging, verbrachte die Schülerin anders als üblich – am Ende stand da ein Gedicht, das dem (erwachsenen) Leser die Sprache verschlägt. Das Gedicht steht am Ende dieses Textes.

Die Oma musste erstmal schlucken

Wobei sie sich genau wie die anderen Jungen und Mädchen in ihrer Schule wohl nichts sehnlicher wünscht als das Übliche: quatschen, spielen, rennen, sich nah sein. Stattdessen verlangt die Pandemie von den Kindern seit Monaten ein großes Maß an Disziplin: Mundschutz, Abstand, Zurückhaltung, Bewegung- und Kontakteinschränkung.

Greta schrieb in jener Pause ein Gedicht, das bei allen, die es lasen, Unbehagen und Bestürzung auslöste. Worte wie Verzweiflung, Angst, Verlust tauchen darin immer wieder auf. „Als ich das las, musste ich erstmal schlucken“, sagte ihre Oma Birgit Holz. Das Herz war ihr so schwer, das sie sich Luft machen musste. „Wenn unserer fröhliche Greta schon so fühlt, dann wird es vielen anderen Kindern ähnlich gehen“, sagte sie. Sowohl sie als auch Gretas Eltern hatten mit einer derartigen Gefühlslage bei der Elfjährigen nicht gerechnet. „Wir haben in all den Monaten der Pandemie unser Bestes gegeben, um den Kindern so viel wie möglich Lebensfreude zu erhalten“, sagte auch Kathrin Holz, Gretas Mutter.

Alles, was Greta mag, ist nicht mehr möglich

Die Freude über die Schulschließung im ersten Lockdown verflog bei Greta und ihrer Schwester recht schnell. Denn so gerne die beiden zu Hause sind, so sehr vermissten sie ihre Freunde, das Draußen sein, das gemeinsame Lernen. „Auch die Großeltern durften nicht mehr besucht werden“, sagte Katrin Holz. Der Sommer brachte Normalität zurück, die im zweiten Lockdown endete.

Da hatten sich die Kinder schon mit einem Präsenzunterricht unter Corona-Bedingungen abgefunden: Mundschutz sowohl im Unterricht als auf dem gesamten Schulgelände, regelmäßiges Lüften. „Nur zum Essen in der großen Pause auf dem Hof können wir die Maske abnehmen, in den kleinen Pausen bleibt die Maske auf, dürfen wir uns nur in der Nähe unseres Platzes aufhalten“, erzählte Greta. Alles, was sie an Schule mag, ist seit Monaten nicht mehr möglich: Sport, Musik, gemeinsame Lern-Projekte. Manchmal denkt Greta, ob Homeschooling unter diesen Bedingungen nicht besser ist. „Unsere Kinder sind in der Zeit zu Hause sehr selbständig geworden und haben gelernt, sich gut zu strukturieren, um den Lernstoff abzuarbeiten“, sagte Kathrin Holz. Aber die sozialen Erfahrungen im Miteinander von Gleichaltrigen bleiben im Homeschooling auf der Strecke.

Angst, „dass das nie mehr aufhört”

Für die Eltern ist der Präsenzunterricht zwar eine große Entlastung, wie es aber den Kindern damit geht, habe man zu selten gefragt, sagte Kathrin Holz. Viel zu häufig hieß es: „Wie läuft‘s?“ statt „Wie geht‘ s Dir?“. Gretas Gedicht habe ihr deutlich vor Augen geführt, wie wenig die Sorgen und Nöte der Kinder zur Sprache kommen. Die Gespräche in der Familie, die nach dem Gedicht folgten, förderten zutage, wovor sich Greta – und vermutlich viele andere Kinder – am meisten fürchten. „Dass das nie mehr aufhört“, sagte die Elfjährige. „Die Angst, der Zweifel verdeckt hinter der Maske“, heißt es beispielsweise in ihrem Gedicht. Und weiter: „Auch Freude, Lächel und Lachen/ alles verdeckt...“.