Bon-Pflicht
▶ Händler sauer über Zettelwirtschaft
Seenplatte / Lesedauer: 3 min

Die Bonpflicht ist noch keinen Monat alt, und schon haben Bäckereien, Fleischer und andere Händler in der Region kilometerweise Papier ausgedruckt und viele Wäschekörbe voller Restmüll produziert. Der Zettelwirtschaft nervt Unternehmer und Kundschaft gleichermaßen. „So einen Irrsinn habe ich in den vergangenen zehn Jahren nicht erlebt“, sagte Wilko Reinhold, der elf Bäckerläden in der Region betreibt.
Drei Männer betraten am Freitagmorgen seine Filiale in der Seestraße. Jeder kaufte ein belegtes Brötchen, jedes Mal wanderte ein Bon in den Mülleimer. So geht das den ganzen Tag. „Maximal zwei Prozent der Kunden wollen den Bon mitnehmen“, sagte Verkäuferin Ruth Schälow. Sie fülle täglich einen Zehn-Liter-Mülleimer mit Kassenzetteln. „Wir werden von den Kunden belächelt. Ich schaue mir das jetzt ein halbes Jahr an, dann werde ich überlegen, ob wir das weitermachen“, so Wilko Reinhold. Er habe schon von Kollegen gehört, die die Bons nur dann ausdrucken, wenn die Kunden sie haben wollen.
Ihm falle es nicht leicht, diese Umweltverschmutzung und Geldverschwendung tagtäglich durchzuziehen. „Zumal es vollkommen sinnlos ist. Wer einen Beleg haben möchte, hat schon immer einen bekommen. Aber nun drucken wir unzählige Bons, um sie sofort wegzuwerfen. Man müsste den Müll dem Finanzamt vor die Tür werfen.“ Er schließe nicht aus, dass es in seiner Branche schwarze Schafe gibt, die Steuern unterschlagen. Doch daran würden die Quittungen nichts ändern. „Wer Steuern hinterziehen möchte, der findet Mittel und Wege, ob mit oder ohne Bon. Ich hoffe, dass unsere Politiker doch noch zur Vernunft kommen.“
Achtung beschichtet: Bons sind kein Altpapier
So sieht das auch Mandy Reggentin von der Landbäckerei Janke im Husarenmarkt in Neustrelitz. „Wir müssen unsere Umwelt endlich schonen und nicht noch mehr Bäume fällen und noch mehr Müll produzieren.“ Die Bonpflicht sei sehr ärgerlich, zumal das Papier mit Chemikalien beschichtet sei, nicht als Altpapier recycelt werden könne, sondern in den Restmüll wandere. „Von ein paar hundert Kunden täglich wollen höchstens ein bis zwei die Zettel haben.“
Ilona Kapler von der Torney Landfleischerei in der Strelitzer Straße ist ebenfalls genervt. „Das ist überhaupt nicht toll. Keiner will die Zettel haben. Die werden weggeworfen, oft liegen sie vor unserem Tresen auf dem Boden.“
Der Ärger über den Zettelzwang nimmt zu. Einige Einzelhändler protestieren mit kreativen Mitteln. Petra Kolberg von der gleichnamigen Bäckerei in Templin hat jetzt ein Paket voller Kassenzettel an die SPD-Parteizentrale in Berlin geschickt. „Diese Kassenbons aus Thermopapier sind Sondermüll. Wir sind nicht bereit, den ordnungsgemäß zu entsorgen.“ Darum solle sich jetzt die SPD kümmern. „Wir versuchen, so weit wie möglich Plastemüll zu vermeiden, und dann das.“
Bundesweit legen Händler Ideenreichtum an den Tag. In Braunschweig hat ein Bäcker einen Korb voller Schokoladenbonbons auf seinen Tresen gestellt, dazu ein Schild mit der Aufschrift: „Liebe Kunden, die Bonpflicht hat auch uns erreicht. Wir bitten Sie, sich unaufgefordert Ihr Bon mitzunehmen.“ Für diese Aktion wird der Bäcker in Internet-Netzwerken gefeiert.
Die Bonpflicht ist aus Kostengründen, wegen eines Mehraufwands an Bürokratie und des erhöhten Müllaufkommens umstritten. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollte noch kurz vor Inkrafttreten Ausnahmen erreichen, die FDP fordert, der Bundestag möge das Gesetz ändern und „diesen Quatsch jetzt schnellstmöglich beenden“, wie Vize-Fraktionschef Christian Dürr sagte.
Doch das Finanzministerium hatte alle Forderungen abgeblockt. Die Behörde betont, dass die Quittung auch per Mail auf das Handy ausgegeben werden kann. Die SPD sieht dabei den Einzelhandel am Zug: „Die Wirtschaft ist gefragt, hierzu praxistaugliche Lösungen zu entwickeln“, sagte Finanzpolitiker Lothar Binding der Agentur DPA. So gebe es bereits Apps, die Belege digital übertragen könnten.