Medizin auf dem Land

Immer weniger Zahnärzte in der Seenplatte

Mirow / Lesedauer: 3 min

Die Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern schlägt Alarm. Auf dem Lande gibt es künftig immer weniger niedergelassene Zahnärzte.
Veröffentlicht:05.12.2019, 16:19
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In der Mecklenburgischen Seenplatte wie im ganzen Land bahnt sich ein gravierender Mangel an Zahnärzten an. Darauf weist der Neustrelitzer Zahnarzt Dr. Lutz Wilke von der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern hin. Anlass ist ein akutes Problem in Mirow, denn dort hat seine Berufskollegin Dr. Christel Soltner plötzlich und unerwartet ihre Praxis aufgegeben.

„Aus technischen Gründen geschlossen – Vertretung alle Kollegen im Ort“, steht an einem Zettel an der Praxistür in der Strandstraße. Ihr war vor einigen Wochen ein teures Gerät kaputtgegangen, erklärte sie auf Nordkurier-Nachfrage. Da sie in zwei Jahren ohnehin in Rente gehen wollte, musste sie sich überlegen, ob sich eine Neuanschaffung noch lohne. Die Zahlen sprachen dagegen. „Die Investitionskosten hätte ich bis zu meinem Rentenantritt nicht erwirtschaften können. Darum habe ich mich entschieden, jetzt schon in Rente zu gehen“, sagte sie.

Suche nach Nachfolger ohne Erfolg

Sie habe versucht, einen Nachfolger zu finden, um den Praxisstandort zu erhalten. Doch dieser Zahn wurde ihr gezogen. Sie fand keinen. Nun gibt sie ihre Praxis zähneknirschend auf und meldet sie bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung und der Zahnärztekammer ab. Die beiden anderen Zahnarztpraxen in Mirow waren aber auch ohne diesen Ausfall schon sehr stark ausgelastet. „An manchen Tagen stoßen wir wirklich an unsere Grenzen, auch aufgrund der Unterversorgung nun“, sagte Zahnärztin Dörte Schröder-Jarchow, die in der Gemeinschaftspraxis in der Fritz-Reuter-Straße arbeitet. Doch selbst wenn Christel Soltner zwei Jahre länger gearbeitet hätte, müsse das Übel bei der Wurzel gepackt werden, sagt Lutz Wilke, der seine Praxis in der Marienstraße hat. „Wir haben seit Jahren ein demografisches Zahnärzteproblem.“ Mehr als 50 Prozent der niedergelassenen Zahnärzte würden in den kommenden fünf bis sieben Jahren in Rente gehen. Die anderen müssen die Zähne zusammenbeißen. „Die ersten Kollegen sind schon gegangen. Wir schaffen kaum noch unsere Arbeit. Manche Kollegen arbeiten schon viel länger, als sie wollten. In Wesenberg ist ein 76-jähriger Zahnarzt, in Mirow ist einer 73.“

Die älteren Zahnärzte würden allerdings nicht mehr Vollzeit arbeiten, was das nächste Problem sei. Auch Zahnärztinnen mit Kindern würden häufig nicht so viele Patienten behandeln. Er selbst habe jeden Tag 40 bis 60 Patienten, arbeite täglich zehn Stunden. Für komplizierte Fälle habe er kaum noch Zeit, müsse sie auf das nächste Jahr verschieben.

„Hohe Arzt-Patienten-Bindung”

Prof. Dr. Dietmar Oesterreich aus Stavenhagen, Präsident der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, war am Donnerstag beim Landtag in Schwerin, um erneut auf das Problem aufmerksam zu machen. „Ein Viertel der Zahnärzte, die im Notfalldienst arbeiten, sind im Durchschnitt älter als 58, im Raum Strasburg sogar älter als 61. Wir werden in absehbarer Zeit spürbare Schwierigkeiten bekommen.“ Es müsse gelingen, für junge Zahnärzte die Arbeit auf dem Land attraktiv zu machen. „Der ländliche Raum bietet viele Vorteile. Es gibt eine hohe Arzt-Patienten-Bindung, das kollegiale Verhältnis zwischen den Ärzten ist besser, die soziale Anerkennung ist größer, und wir leben in einem wunderschönen Land.“ Das allein genüge jedoch nicht. Konkretes müsse umgesetzt werden, zum Beispiel Stipendien für angehende Zahnärzte, die sich verpflichten, im ländlichen Raum zu arbeiten. Mecklenburg-Vorpommern stehe vor einer großen Herausforderung. Die Politik sei genauso gefragt, wie Initiativen aus den eigenen Reihen. Alle müssen einen Zahn zulegen.