Interview

Ist die Seenplatte immer noch digitales Hinterland?

Sietow / Lesedauer: 3 min

Die Netzwerkerin Judith Kenk ist kürzlich zur Digitalisierungsbotschafterin ernannt worden. Was genau sie da macht und was so ein Netzwerk ausmacht, erklärte sie Robin Peters.
Veröffentlicht:16.01.2023, 06:14
Aktualisiert:16.01.2023, 06:15

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Frau Kenk, kürzlich wurden Sie zur Digitalisierungsbotschafterin von Mecklenburg-Vorpommern ernannt. Was machen Sie unter diesem Titel?

Ich repräsentiere zusammen mit rund zwei Dutzend anderen Botschaftern das Programm „digitales MV“. Das ist ein Digitalisierungsprogramm der Landesregierung. Ich sehe mich als Angelpunkt, gebe Infos und Empfehlungen weiter – wie ein Satellit. Gerade in der Region konzentriert sich viel im Oberzentrum Neubrandenburg. Ich bemühe mich, Kompetenz in die Fläche zu tragen.

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MV wird bekanntlich oft als digitales Hinterland verschrien...

Da ist schon etwas dran. Ich denke aber, dass viele gar nicht das Potenzial zu nutzen wissen. Man kann es nicht allein auf den schleppenden Ausbau der Technik schieben. Digitalisierung bringt nicht nur mehr Wertschöpfung, sondern auch mehr Sicherheit und sogar mehr Freizeit. Wir wollen nicht optimieren, sondern mehr rausholen. Einige hilfreiche Tools kennen viele gar nicht. Die Meisten nutzen beispielsweise nur ein Minimum der Möglichkeiten des Smartphones. Möglichkeiten sind da. Es entstehen viele Startups oder Coworking-Spaces. Konzepte müssen in alle Lebensbereiche getragen werden – ins Zuhause genauso wie in Vereine.

Den Titel erhielten Sie unter anderem wegen Ihres Projektes Netzwerk Seenplatte e.V. für Gründer und Unternehmer. Wie kamen Sie auf die Idee, so ein Netzwerk zu gründen?

Als ich nach meinem Studium in Stralsund und Arbeit in Baden-Württemberg in die Heimat zurückgekehrt war, suchte ich Möglichkeiten, mich zu vernetzen. Die vorhanden Angebote entsprachen nicht meinen Vorstellungen eines offenen Netzwerks. Deshalb habe ich es selbst in die Hand genommen. Ich denke immer auch für die Region. Das ist einfach meine Kultur.

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Wer ist in dem Verein?

Das Netzwerk Seenplatte bildet die Struktur des Landkreises aus meiner Sicht ganz gut ab. Es vernetzen sich vorwiegend kleine Anbieter oder regionale Produzenten – vom Finanzdienstleister zum Touristiker. Aus der Industrie oder dem Handwerk haben wir allerdings kaum Mitglieder. Die Probleme dieser Branchen, wie den Fachkräftemangel, können wir nicht lösen.

Erreichen Sie Menschen im ganzen Landkreis?

Sogar über die Landkreisgrenzen hinweg – von Schwerin über Friedland bis nach Brandenburg. Unser Verein ist ursprünglich mit einer Handvoll Mitgliedern in Malchow gestartet. Wir kamen alle aus demselben Ort und kannten uns kaum. Wir sind mittlerweile auch regelmäßig in Neubrandenburg und Neustrelitz. Im Demminer Raum waren wir bislang nicht. Der Landkreis ist riesig. Das macht es echt schwer.

Hat Corona das Netzwerk zurückgeworfen?

Nein, die Mitgliederzahlen sind sogar gestiegen. Derzeit sind etwa 85 Mitglieder im Verein. Zwischendurch haben einzelne den Verein auch wieder verlassen. Das ist aber in Ordnung.

Wird sich Ihr Netzwerk künftig weiter ausdehnen?

Ich erwarte eher, dass wir uns auf Dauer in dieser Größe einpendeln. Wir hatten bereits eine weitere Stelle besetzt. Allerdings ist eine deutlich größere Ausdehnung mit den aktuellen Mitteln kaum möglich. Wir sind schließlich von Fördermitteln abhängig. Und nach Jahren mit Corona und Energiekrise kann man nicht einfach die Mitgliedsbeiträge stark anziehen. Es wäre auch gar nicht schlimm, wenn die Teilnehmerzahl irgendwann wieder geringer wird. Wichtig ist, dass Menschen daran wachsen.