Dorf statt Berlin

Junges Unternehmerpaar aus Bayern mischt die Seenplatte auf

Seewalde / Lesedauer: 5 min

Am Kudamm würde der Laden brummen, aber hier? Gerade erst wurden Luzi Graf und Max Strack als Unternehmer ausgezeichnet und die Kunden nehmen weite Wege immer häufiger in Kauf.
Veröffentlicht:30.07.2022, 07:58

Von:
  • Susanne Schulz
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Mit diesen Namen schien alles geradezu vorherbestimmt für Luzi Graf, deren Vorname auf das lateinische Wort für Licht zurückgeht, und Max Strack, dessen Vorname davon das Größte und Meiste verheißt. Zusammen haben die beiden einen Weg eingeschlagen, der Licht in schönste Form und Wirkung bringt: Hauchdünne, handgedrechselte Lampen sind Ursprung und Markenzeichen ihres Unternehmens MaxLuzi, mit dem sie vom Dorf Seewalde im Südosten der Seenplatte aus ein wachsendes Publikum erobern.

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Hadern mit dem Business

Gerade haben sie beim Wettbewerb um den Unternehmerpreis Mecklenburg-Vorpommern eine Sonder-Auszeichnung gewonnen. Bei der Zeremonie hätten sie neben Firmenchefs gesessen, die Hunderte Angestellte beschäftigen, und sich gefragt, ob sie dort hingehören. Das Konzept „Fair, regional und kreativ gestaltet Zukunft“ jedoch begeisterte die Juroren für das junge Paar, das „in die Unternehmerschuhe erst noch hineinwachsen“ muss, wie Max Strack bekennt. „Wenn wir das denn wollen“, fügt er hinzu. Denn der Betrieb ist für beide kein „Business“, sondern Lebensinhalt und gemeinsame Leidenschaft für Handgemachtes, Individuelles.

In ihrer bayerischen Heimat hatten sich der gelernte Zimmerer mit dem Faible fürs Drechseln und die studierte Innenarchitektin mit dem Spezialgebiet Lichtdesign einst kennen und lieben gelernt und bald festgestellt, dass ihre Passionen auch beruflich gut zusammenpassen. Kreative Geschenke, die sie einander machten, entpuppten sich als Vorboten ihrer Geschäftsidee. Den geeigneten Ort dafür fanden sie in der Seenplatte, die Max von Kindheits-Urlauben aus den 90er Jahren kannte und wo er auch seine Ausbildung gemacht hatte: „Er fühlte sich hier zu Hause, und ich hab‘ mich auch in die Landschaft verliebt“, erzählt Luzi.

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Viele Leben auf dem Dorf

Ein Glücksfall war da die Möglichkeit, Werkstatträume zu nutzen auf dem einstigen Gutshof des 90-Einwohner-Orts Seewalde, in dem in den vergangenen Jahren mit Waldorf-Kita und -Schule, sozialtherapeutischen Werkstätten und Wohngemeinschaften, Laden-Café, Bio-Bauernhof sowie der gemeinnützigen Dorf Seewalde gGmbH eine bemerkenswerte Lebenswelt entstanden ist. Eine Infrastruktur, die auch für die junge Familie reizvoll ist – zumal, wie Luzi sagt: „Hier ist gerade viel Aufbruch und Vernetzung im Gange.“ Denn auch in der Umgebung siedeln sich junge Leute an, die Neues auf den Weg und Leben in die Region bringen.

Längst entstehen in der Werkstatt nicht mehr nur die kunstvoll in lichtdurchlässiger Ein-Millimeter-Dicke gedrechselten Lampen, sondern auch Tabletts und Hocker, Gewürzmühlen und Schneidebretter, Stifte- oder Kerzenhalter und einiges mehr – entwickelt aus dem Wunsch, den Rohstoff Holz möglichst umfassend zu nutzen. Holz übrigens, das ausschließlich aus der Region stammt. Und „am liebsten Bäume, die nicht für uns sterben müssen“, sagt Luzi: Bei notwendigen Fällungen an Straßen oder privaten Grundstücken wird ebenso an das junge Unternehmen gedacht wie in der Forst.

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Was gegen Berlin und für die Seenplatte spricht

Am liebsten arbeitet Max Strack mit dem hellen, klaren Pappelholz – was auch den Vorzug hat, dass es sich kaum fürs Bauen oder als Brennholz eignet: „Das schnappt uns keiner weg.“ Manche Kunden lieben aber auch den rötlichen Ahorn-Ton; ebenso entstehen Produkte aus Birke oder Esche. Die jeweils einzigartige Maserung sorgt dafür, dass auch bei seriellen Grundformen jedes Stück ein Unikat ist. Die Abfälle übrigens kann der Seewalder Biobauernhof gut als Einstreu gebrauchen, und für den Versand der Produkte wurde ebenfalls eine nachhaltige Lösung gefunden: Statt Luftpolsterfolie aus Plastik kommen Papierkissen zum Einsatz, die in der Sozialtherapie aus alten Zeitungen gefertigt werden – ein zweites Leben auch für alte Nordkurier-Ausgaben.

Am Kudamm würde der Laden brummen

Dass ihre Produkte mit Ästhetik und Qualität überzeugen, wissen die jungen Gründer. Dass sie auch ihr Publikum finden, ist ob der Randlage ihres Unternehmens kein Selbstläufer. „In Berlin am Kudamm würde so ein Laden vermutlich ,brummen‘“, ahnt Max. Aber das ist nicht der Ort, an dem er arbeiten und leben möchte. In Seewalde jedenfalls ist im Sommer die Galerie im Gutshof sogar belebter als der Online-Shop. Der wiederum war vor zwei Jahren plötzlich ausverkauft, als nach einem Fernsehbeitrag die Bestellungen „durch die Decke“ gingen: ein eindrucksvoller Beleg, was Sichtbarkeit ausmacht.

Auch im Neustrelitzer Kulturquartier sind MaxLuzi-Produkte zu haben; gern möchte Luzi Graf derlei Präsenz weiter ausbauen, zum Beispiel in Bioläden in Richtung Berlin. Auf dem „Umweg“ über Arbeiten in einem Bochumer Möbelhaus übrigens war das Fritz-Reuter-Literaturmuseum Stavenhagen auf das kleine Unternehmen aus dem eigenen Landkreis aufmerksam geworden und hatte es zu einer Sonderausstellung eingeladen.

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Größere Werkstatt geplant

Ebenso wie das Sortiment wächst die Zahl der Ideen, die Max Strack gern ausloten möchte. Wenn er – und das häufig – den beeindruckten Besuchersatz hört, Ideen müsse man haben, kann er nur seufzen: „Das ist nicht das Problem. Zeit müsste man haben!“ Denn auch mit einer mittlerweile festangestellten Tischlerin sowie zwei, drei freiberuflichen Mitarbeitern stößt der Betrieb an personelle Grenzen. Und an räumliche! Möglichst zum Herbst wollen Max und Luzi daher ihre neue Werkstatt in einer gerade erworbenen Halle im nahen Wesenberg einrichten – als Gläserne Manufaktur, in der Besucher die handwerkliche Qualität aus der Nähe erleben können.

Der Hofladen von MaxLuzi im Gutshof Seewalde ist montags bis freitags von 10 bis 14 Uhr geöffnet. Die Ausstellung „Holz im besten Licht“ im Fritz-Reuter-Literaturmuseum Stavenhagen dauert bis 18. September; Öffnungszeiten mittwochs bis sonntags, 10 bis 17 Uhr.