Interview
Kormoran für Binnenfischer schlimmer als Bürokratie
Wesenberg / Lesedauer: 5 min

Tobias Lemke
Die Anzahl der Berufsfischer sinkt konstant, besonders an der Küste. Wie ist derzeit die Lage der Binnenfischer?
Zunächst muss man die Lage der Berufsfischer in MV differenzieren und dabei die Binnenfischer und die Küstenfischer gesondert betrachten. Es gibt aber natürlich auch Probleme die den ganzen Berufsstand betreffen.
Binnenfischerei findet in aller Regel auf Pachtgewässern statt, wo der einzelne Fischer oder Betrieb als Pächter für die Hege und Pflege der Fischbestände nach dem Fischereigesetz verantwortlich ist. An der Küste hingegen werden Fischbestände regional und überregional bewirtschaftet und der einzelne Fischereibetrieb hat keinen oder kaum Einfluss auf die Bewirtschaftungsziele oder Restriktionen. Wer weiß welche Diskussionen es um die Ziele und verfügbaren Quoten für Hering oder Dorsch gibt, der vermag abzuschätzen, wie schwer planbar die Fischerei an der Küste ist. Aus diesen und noch mehr Gründen hat es in den letzten Jahren leider eine große Welle von Betriebsaufgaben im Küstenbereich gegeben.
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Im Binnenbereich dagegen ist die Anzahl der Betriebe relativ konstant. Hier haben es aufgrund der günstigen touristischen Entwicklungen viele Betriebe geschafft, mit gleichbleibenden oder sogar sinkenden Fischerträgen neue Märkte zu erschließen, ihre Wirtschaftlichkeit zu sichern und als Dienstleister rund um das Thema Fisch bei unseren heimischen und auswärtigen Gästen zu punkten.
Und wie sieht es zurzeit im Binnenland mit dem Fischer-Nachwuchs aus?
Erfreulich ist, dass es in der Binnenfischerei ein gleichbleibendes Angebot an Ausbildungsstellen im Land gibt und wir im Vergleich zu anderen Berufen immer wieder ausbildungswillige junge Menschen begrüßen. Einige unserer Mitgliedsbetriebe haben in den letzten Jahren Generationswechsel vollziehen können und auch der Abschluss langfristiger Pachtverträge mit dem Bundesland MV haben Planungssicherheit und Zuversicht erzeugt.
Aber es ginge natürlich immer besser. Unsere Unternehmen kämpfen mit vielen Einschränkungen und Auflagen. Kurz genannt seien Managementpläne, besonders in Naturschutz- und Natura-2000-Gebieten, die eine reduzierte Nutzung fischereilicher Ressourcen zur Folge haben oder der Einfluss fischfressender Räuber oder auch die Gefahren, die von eingeschleppten Arten ausgehen. Darüber hinaus lässt sich der Wert des hier vor Ort gefangen, verarbeiteten und angebotenen Fisches sicherlich noch besser darstellen.
Wer ist für die Binnenfischerei der schlimmere Gegner: die Bürokratie oder der Kormoran?
Der Kormoran, denn die Nachfrage nach tollen lokalen Fischprodukten ist größer als das Angebot und die Fischereibetriebe in MV könnten noch wesentlich mehr zur gesunden und nachhaltigen Ernährung beitragen.
Wie ist es um die Fischbestände und Zustände der Binnengewässer im Land bestellt?
Ganz unterschiedlich, in vielen Gewässern ist eine Zunahme der Sichttiefe festzustellen, was aus Sicht von Biodiversität und Badewasserqualität sicher wünschenswert und angenehm ist, aus Sicht der Fischerei aber geringere Erträge bedeutet. Andere Gewässer sind von starken Wasserstandschwankungen betroffen und daher weniger nutzbar. Wir waren im Verlauf der Jahrzehnte immer wieder mit unterschiedlichen Situationen konfrontiert und sind insgesamt sehr anpassungsfähig. Zusätzlich versuchen Fischereibetriebe immer auch nach neuen Erkenntnissen in der Fischereibiologie zu arbeiten, wir schonen große Laichtiere oder arbeiten mit der Landesforschung an der Wiederauffüllung der Aal-Bestände und investieren so in die Zukunft der Fischerei.
Wie sich die Gewässer in Zukunft entwickeln werden, bleibt aufgrund vieler Unsicherheiten in diesen komplexen Systemen offen. Es bleibt für unseren Berufsstand eine immerwährende Herausforderung Fisch zur Verfügung zu stellen, der wir mit großer Freude an der Arbeit in der Natur nachkommen.
Angeln hat gerade über die Coronazeit geboomt. Ist das aus Fischerei-Sicht ein Problem?
Klares Nein. Zum Ersten sind auch Angler Fischer, halt nur als Hobby oder in der Freizeit. Zum Zweiten sind viele Angler in MV auch Kunden von Fischereiunternehmen und viele Berufsfischer sind in ihrer Freizeit auch Angler. Wir sitzen daher im gleichen Boot. Jeder der die Natur zu schätzen weiß und mit ihr geschult und vernünftig umgeht, ist einer mehr, der versteht das Schutz und Nutzung zusammenpassen. Trotzdem müssen in der Nutzung und Bewirtschaftung von Fischbeständen Vorsicht und Vorsorge Leitmotive sein, damit diese auch langfristig gemeinsam genutzt werden können.
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Haben Sie vielleicht noch einen heißen Tipp vom Profi für den Hobby-Angler?
Wie beschrieben, maße ich mir nicht an, Freizeitfischern Tipps und Ratschläge zu geben, denn auch unter Freizeitfischern gibt es echte Profis. Wir sollten gemeinsam voranschreiten und die Politik in MV mitgestalten, das ist mein Wunsch an die Berufs- und Freizeitfischerei ganz allgemein.
Welche Ziele haben Sie sich als neuer Präsident auf die Fahnen geschrieben?
Ich möchte daran mitarbeiten, dass unser Berufsstand erhalten bleibt und in der Allgemeinheit verstanden wird, welche Rolle Binnenfischerei bei der Sicherung von tollen lokalen Produkten, dem Erhalt von Arbeitsplätzen auf dem Land und schließlich auch beim Abwenden des Klimawandels hat. Auf Landesebene ist die Auflösung unseres Landesfischereiverbandes MV zu kompensieren. Dieser ist aufgrund des Austrittes der Kutter- und Küstenfischer nach über 25 Jahren vorerst nicht zu retten. Es gilt nun, dass die verbleibenden Einzelverbände weiter gemeinsam aktiv sind und mit einer Stimme sprechen.