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Mühlenstadt Woldegk

Mühlenfreunde – zwei Männer eint eine Leidenschaft

Woldegk / Lesedauer: 6 min

Eine Instanz hat sich in den Ruhestand verabschiedet: Roland Stapel war seit 1990 Mühlenwart in Woldegk. Sein Nachfolger steht schon länger fest und der Mann hat in der Museumsmühle sogar schon Jahrzehnte vor seinem Amtsantritt Spuren hinterlassen.
Veröffentlicht:29.12.2022, 12:11

Von:
  • Marlies Steffen
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Am Anfang war die Unwissenheit. Ein Stellmacher aus Leppin unweit von Woldegk im heutigen Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, der etwas von Mühlen verstand, erzählte von einer Schnecke. Und Roland Stapel, der damals noch ein kleiner Junge war, stellte sich genau das darunter vor, was er aus der Erfahrungswelt eines Kindes kannte: eine Vertreterin aus der Spezies der Weichtiere, die ziemlich langsam unterwegs ist. Bei dem erwachsenen Mühlenmann kam das nicht so gut an, der kleine Roland fühlte sich ausgelacht, gar zu Schnecke gemacht.

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Langjähriger Mühlenwart übergibt Aufgabe an seinen Nachfolger

Das stachelte allerdings den Ehrgeiz des in Leppin aufgewachsen Jungen an. Und so begann eine Leidenschaft für Mühlen. Die auch jetzt noch nicht beendet ist, wo der langjährige Woldegker Mühlenwart Roland Stapel den Staffelstab an seinen Nachfolger Toralf Pfeiffer übergeben hat.

Über Umwege zur Mühle

Stapel war seit 1990 Mühlenwart. Schon viele Jahre davor kannte er die heute fast 140 Jahre alte Holländermühle auf dem Mühlenberg fast wie die sprichwörtliche Westentasche. Irgendwann stand dort die Tür auf. Menschen, die ab dem Ende der 1950er Jahre den Wert des damals abgewrackten Bauwerks erkannten und die sich für den Erhalt der für Woldegk typischen Mühle einsetzten, erzählen dem Jungen mehr über das alte Handwerk des Müllers und über sein Handwerkzeug. Sie erzählten über die vom Wind betriebenen Flügel, die das Mühlrad bewegten. Und auch darüber, dass eine Schnecke als Funktionselement einer Mühle wichtig für den waagerechten Transport des Mahlguts ist. 1968, bevor die Mühle im sogenannten NAW (Nationales Aufbauwerk) wieder eröffnet wurde, war Stapel zehn Jahre alt und hielt dem für ihn spannenden Ort die Treue. Lernte aber später doch was anderes, nämlich Instandhaltungsmechaniker, und arbeitete in der Landwirtschaft.

Nach der Wende sprach sich herum, dass die Stadt Woldegk einen Mühlenwart für das die Stadt prägende, denkmalgeschützte Ensemble auf dem Mühlenberg einstellen möchte. Einen Menschen also, der sich um die wichtigen Zeugen der Vergangenheit kümmert und der auch Wissen über das alte Handwerk an Besucher vermitteln kann. Stapel zögerte keinen Moment und bewarb sich. Und bekam die Stelle. Und konnte einen Job machen, bei dem er seine Passion weiterleben, weiter lernen durfte und sein Wissen auch an die Besucher weitergeben konnte.

ABM-Trupp für Sanierungsarbeiten gelobt

Auf dem Woldegker Mühlenberg standen früher fünf Windmühlen, drei davon sind noch erhalten. Davon sind die Ehlertsche und auch die Museumsmühle in städtischem Besitz – also in Zuständigkeit des Mühlenwarts. Sie wurden nach 1990 immer wieder auch saniert. Prägend für Roland Stapel: die Sanierung der Museumsmühle Anfang der 1990er Jahre, „mit einfachem technischem Sachverstand und über Leute, die damals zu einem ABM-Trupp gehörten“. Arbeitsbeschaffungsmaßnahme stand hinter diesem gängigen Begriff der Beschäftigung für Menschen, die arbeitslos geworden waren. „Die Leute waren stolz auf das, was sie geschaffen haben, die Mühle wurde sogar als Beispiel dafür gepriesen, was über ABM möglich ist“, erinnert sich der langjährige Mühlenwart.

Vorurteile werden deutlich

Zwar wird in der Museums-Mühle aus technischen und aus Sicherheitsgründen nicht mehr gemahlen, dennoch lebt das alte Handwerk mit all seinem Zubehör: dem Mahlstein, den Säcken, dem Getreide, der Königswelle, dem Kammrad unter der Haube, dem riesigen Stirnrad im Erdgeschoss, unter dem unzählige Fotos entstanden. Wenngleich sich zu Beginn der 1990er Jahre vor allem Besucher aus dem Westen Deutschlands nicht nur für die Mühlen interessierten. „Ich musste mir häufig all die Vorurteile über das vermeintlich karge und rückständige Leben im Osten anhören“, sagt Stapel. Zum Glück habe sich das geändert, obwohl er manchmal immer noch das Gefühl hat, dass der eine oder andere vor allem ältere Besucher aus westlichen Gefilden etwas herablassend unterwegs ist. Dabei sei doch eigentlich die Windmühlenstadt Woldegk – diesen Titel gibt es seit 2008 – schon zu einem Zeitpunkt in Sachen erneuerbarer Energie unterwegs gewesen, als das Wort noch gar keiner kannte, sagt Roland Stapel. Außer auf dem Mühlenberg existieren noch zwei weitere Windmühlen, die sich in privatem Besitz befinden.

Mühle wird nach 30 Jahren „wilder Ehe“ Trauzimmer

Seine Führungen durch die Museums-Mühle hat der Mühlenwart generationengerecht gestaltet. Gern auch mit Unterstützung eines Altmeisters der Dicht- und Comic-Kunst: Wilhelm Busch. Als besondere Erlebnisse sind ihm Begegnungen mit Sehbehinderten in Erinnerung geblieben, denen er das Mühlenhandwerk über das „Fühlen“, also haptisch, zu erklären versuchte. Und da war auch dieses Brautpaar, das bereits 30 Jahre zusammenlebte, das die Museumsmühle sah, in der auch geheiratet werden kann, und dann beschloss: Hier wollen wir den Bund, der fürs Leben halten soll, schließen. Zwei Jahre später begrüßte sie Roland Stapel mit dem Müllergruß „Glück zu“. Dieser geht übrigens auf die Wandertätigkeit von Mühlengesellen zurück. Diese sollten das Glück von Mühle zu Mühle tragen.

Nachdem Roland Stapel jetzt den Staffelstab nun an Toralf Pfeiffer übergeben hat, fällt es ihm leicht loszulassen, sagt der „Alte“ nach fast 33 Jahren als Mühlenwart. Man glaubt es ihm, wenn er damit meint, nicht mehr die Verantwortung für die Sicherheit der Gebäude, etwa bei Unwettern, und für die Sicherheit der Gäste übernehmen zu müssen. Dass er seine Leidenschaft für die Mühlen aus dem Blick verliert, glaubt man ihm nicht. Vielleicht entdeckt er ja längst vergessene Dinge über die besonderen Bauwerke in alten Briefwechseln. Denn der 64-Jährige hat vor Weihnachten auf dem Dachboden seines Hauses 50 Jahre alte Briefe gefunden, von denen er sich einst vorgenommen hatte, sie erst wieder zu lesen, wenn er im Ruhestand ist.

Den Beruf des Müllers von der Pike auf erlernt

Keine Sorge treibt ihn indessen um, wenn er an seinen Nachfolger denkt. Toralf Pfeiffer, der im Woldegker Ortsteil Canzow groß geworden ist, könnte in Sachen Mühlenhandwerk glatt als Ziehsohn von Roland Stapel durchgehen. Beide Männer sind schon seit der Kindheit mit dem Mühlenhandwerk vertraut. Toralf Pfeiffer absolvierte als 14-Jähriger sogar ein Praktikum in der Woldegker Museumsmühle. Ein Ergebnis dieser Arbeit ist noch heute zu sehen: eine Vitrine, in der verschiedene Getreidearten erklärt werden.

Pfeiffer erlernte denn auch den Beruf des Müllers und arbeitete in verschiedenen Mühlen. Bis ihn die Nachricht von der Stellenausschreibung in Woldegk erreichte. Ein Jahr ist der 40-Jährige inzwischen eingearbeitet worden und fühlt sich nun gut aufgestellt sowohl für die neue Technik als auch für die Besucher an einem Ort, der ihm schon so viele Jahre vertraut ist. Und Roland Stapel ist ja in der Nähe, wenn der Neue denn doch mal eine Frage hat. Zur Schnecke machen wird ihn sein Vorgänger deshalb sicherlich nicht.