Diskriminierung
Rassismus in der Kunst – MV-Museen wollen keine Umbenennung
Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Susanne Schulz
„Die Zigeunerin“ ist künftig als „Frau mit Kopftuch“ ausgewiesen, der „Kopf eines Negerknaben“ wird zum „Studienkopf eines jungen Mannes“. Worte wie „Eskimo“, „Eingeborener“ oder auch „Zwerg“ verschwinden aus den Titeln diverser Kunstwerke.
Lesen Sie auch: Grüne fordert Umbenennung der Berliner Mohrenstraße
Sprachkontrolle in Kinderbüchern
Nachdem bereits der Vater der Kinderbuchheldin Pippi Langstrumpf von einem „Neger-“ in einen „Südseekönig“ umgewidmet wurde, in Berlin über die Umbenennung der Mohrenstraße diskutiert und im oberfränkischen Coburg die Änderung des Stadtwappens mit dem auch im Stadtbild vielfach präsenten „Coburger Mohr“ gefordert wird, erreicht die Debatte um rassistisches oder diskriminierendes Vokabular zunehmend auch die Kunstwelt.
Lesen Sie auch: Indianer-Debatte – Das sagt DDR-Häuptling Gojko Mitic
Dresden macht es vor
Die eingangs genannten Beispiele stammen aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, wo seit Monaten die Bestände nach fragwürdigen Titeln durchforstet und bislang 143 Werke gemäß heutigem Verständnis von politischer Korrektheit umbenannt wurden.
Ob solch „sprachliche Überarbeitung“ auch in den Museen und Sammlungen der Region angeraten wäre, „ist nicht mit Ja oder Nein zu beantworten“, sagt Rolf Voß, Direktor des Regionalmuseums in Neubrandenburg. Gegenwärtig gebe es keine Veranlassung, das Vokabular an Objektbeschriftungen zu ändern. Der nicht öffentliche Inventarbestand werde, falls Unkorrektheiten auftreten sollten, in einem laufenden, besonnenen Prozess korrigiert, erläutert er.
Blick auf Entstehungszeit und deren Verhältnisse
Auch die exotische Samoa-Sammlung – begründet durch den Neubrandenburger Arzt Dr. Bernhard Funk, der einst im 19. Jahrhundert auf die Inselgruppe im Pazifischen Ozean übergesiedelt war und später dem Museum seiner Heimatstadt rund 250 Objekte und Fotografien übereignet hatte, enthalte keine Diskriminierungen. „Samoaner sind Samoaner“, stellt Voß lapidar fest. Bei der Nutzung von Fotos müsse darauf verwiesen werden, wann und unter welchen gesellschaftlichen Verhältnissen sie entstanden seien: „Dabei spielen ganz andere Gesichtspunkte eine Rolle, zum Beispiel die Stellung der Frau“, merkt Voß an.
Über eine Umbenennung, Erläuterung oder Distanzierung von einem historischen Begriff, der heute als diffamierend empfunden werde, müsse in jedem Einzelfall entschieden werden, sagt Sprecherin Julia Kruse für das Pommersche Landesmuseum in Greifswald. „Diskriminierende Sprache ist ein komplexes Thema, das lange Zeit vernachlässigt wurde“, stellt sie fest. Museen sollten „für alle offen sein und selbstverständlich niemanden diffamieren“. Für die in der Greifswalder Ausstellung präsentierten Objekte aber, gebe es „diesbezüglich keinen Handlungsbedarf“, sagt sie.
Ebenso beschreibt es Leiterin Dorothea Klein-Onnen für das Kulturquartier Mecklenburg-Strelitz in Neustrelitz: Da entsprechende Motive, die einer zeitgemäßen Einordnung bedürften, bei den ausgestellten Objekten nicht vorkämen, spiele die Frage nach Umbenennungen „keine große Rolle“.
Warnung vor Eingriffen ins Urheberrecht
Ähnlich verhält es sich in der Kunstsammlung Neubrandenburg – zumal es sich hier, wie Direktorin Merete Cobarg betont, um ein Museum der Gegenwart handle: Nach dem Verlust der Vorgängereinrichtung 1945 war die Sammlung 1982 neu gegründet worden, der Sammlungsschwerpunkt liege auf der Zeit seit 1950. Gerade bei jüngeren Werken indessen warnt Merete Cobarg bei Umbenennungsdebatten auch vor einem Eingriff ins Urheberrecht, dessen Schutzdauer sich auf 70 Jahre nach dem Tod des betreffenden Künstlers erstreckt.
In ihrem Bestand, auch in der Bestandsausstellung „Der glückliche Griff“ hat die Kunstsammlung etwa eine 1994 entstandene „Zigeunerin in Marzahn“ von Bildhauer Werner Stötzer (1931-2010). Die Marmorskulptur ist der Erinnerung an ein Zwangslager gewidmet, das die Nationalsozialisten 1936 errichteten, um die Hauptstadt zu den Olympischen Spielen „zigeunerfrei“ zu präsentieren, und dessen Insassen einige Jahre später nach Auschwitz deportiert wurden. Zu den bedeutenden Exponaten der Sammlung gezählt wird auch die Bronzeskulptur „Geschlagener Jude“ von Theo Balden (1904-1995) – ein Werk, das die Wahrung menschlicher Würde in allem erlittenen Leid verkörpere. Daher sollten Kunstwerke und deren Titel im Kontext ihrer Zeit betrachtet und erläutert werden, so die Expertin.
Auch die in der öffentlichen Debatte schon des „Bildersturms“ und der „Cancel Culture“ (sinngemäß: Löschkultur) bezichtigten Kunstsammlungen in Dresden übrigens verweisen darauf, dass die bislang umbenannten Werke keine von den Künstlern vergebenen Originaltitel trügen, sondern solche, die von Museumsmitarbeitern vergeben wurden. Die in vielen Fällen sogar schon mehrfach erfolgten Umbenennungen seien in der Online-Datenbank dokumentiert. Bei Originaltiteln wiederum werde das aus heutiger Sicht zu beanstandende Wort gekennzeichnet und mit einem Kommentar versehen – so firmiert ein einstiger „Mohr mit Smaragden“ aus dem Grünen Gewölbe nunmehr als „**** mit der Smaragdstufe (historische Bezeichnung)“.