Protest
Singende Apothekerin aus Feldberg will in Berlin den „letzten Kittel“ abgeben
Feldberg / Lesedauer: 4 min

Marlies Steffen
Da ist Doreen Wegner doch der Kragen geplatzt: Die Leiterin der Feldberger Luzin–Apotheke versucht seit Monaten der Politik — allen voran Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) — klar zu machen, dass ihre Branche existenziell bedroht ist und dann das: Karl Lauterbach beschäftigt sich lieber mit der Gendersprache auf Beipackzetteln für Medikamente und listet auf diesen zwar Ärztinnen und Ärzte auf, aber dann nur die Apotheke. „Als wäre unser Berufsstand es nicht wert, beim Namen genannt zu werden“, echauffiert sich Wegner und bezeichnet den Lauterbach–Vorstoß auch als total unwichtig und vollkommen deplatziert.
Mehrere YouTube–Aktionen gestartet
„Unsere Lage ist unverändert bedrohlich“, sagt die Feldbergerin mit Blick auf die Anstrengungen, die auch sie in den vergangenen Monaten unternommen hat, um die Politik überhaupt für die Branche zu sensibilisieren. Wegner startete mehrere Youtube–Aktionen, bei denen sie auf bekannte Songs politische Texte mit Kritik an der deutschen Gesundheitspolitik und den von dort kommenden Gesetzen präsentierte. Sie scharrte die Apothekerschaft zusammen, war im November mit Kollegen zum Gespräch in Berlin. Doch gebracht hat all das offenbar nichts. „Wir haben die gleichen Probleme, wie vorher“, macht die Apothekerin deutlich.
Mit diesem Video wurde Doreen Wegner 2022 zur Internet-Bekanntheit
Bedrohliche Lieferengpässe
Die Lieferengpässe für Medikamente würden immer bedrohlicher. Der bürokratische Aufwand, deshalb zu telefonieren, ufere weiter aus. Von der Inflation ganz zu schweigen. Honorare würden immer mehr gekürzt. „Für den riesigen Mehraufwand bei Nichtlieferbarkeit von Medikamenten sollen wir jetzt 50 Cent als Ausgleich bekommen“, sagt sie und empfindet das als Frechheit. Denn hinter dem Mehraufwand würden Telefonate mit Ärzten, Dosisanpassungen, Dokumentationen, Warteschleifen, Rückrufe und die Bettelei beim Großhandel, damit man überhaupt noch die Patienten versorgen könne, stecken. Viel Arbeit, die keiner sehe, ohne die die Apotheke aber nicht laufe. Zudem müsse das Warenlager ständig umgeändert werden.

Verärgert und enttäuscht
„Für die hausgemachten politischen Fehlentscheidungen seit Jahren sollen wir den Karren aus dem Dreck ziehen“, erbost sich die Apothekerin, die sich selbst als verärgert und enttäuscht bezeichnet und nicht weiter einsehen will, dass man mit ihr so umgeht. Ein Brief, den Bürgermeisterin Constance von Buchwaldt (SPD) aus dem Feldberger Rathaus schon vor Monaten an ihren Parteikollegen Karl Lauterbach schrieb, sei im Übrigen bis heute unbeantwortet. Auch das spreche für sich.
Nächste Aktionen in Vorbereitung
Allen Enttäuschungen zum Trotz bereitet Doreen Wegner aber die nächsten Aktionen vor. Die Bundestagsabgeordneten der Region sollen eingeladen werden, einen Tag in ihrer Apotheke mitzuarbeiten. „Dann können diese sich vielleicht besser vorstellen, was hier Tag für Tag ab geht“, meint Wegner. Zudem ist die Feldbergerin fest entschlossen bei der Aktion „Der letzte Kittel“ mitzumachen.
Kritik an Karl Lauterbach
Unter diesem Motto wollen Netzwerke wie die IG Med, die Freie Apothekerschaft und andere Gesundheitsverbände deutschlandweit ihrem Ärger über die Sparpolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Luft machen. Seit seiner Zeit als Berater von Ex–Ministerin Ulla Schmidt (SPD) sei er mitverantwortlich für Fehlentwicklungen im Gesundheitssystem. „Das Gesundheitsreformgesetz aus dieser Zeit legte den Grundstein für den Ruin in der medizinischen Versorgung in Deutschland, der jetzt zu dem Desaster führt, unter dem unsere Patienten, unsere Mitarbeiter und vor allem wir, als diejenigen, die das System noch irgendwie am Laufen gehalten haben, jetzt leiden“, heißt es in einer dazu verbreiteten Pressemitteilung.
„Letzter Kittel“ wird Ende März in Berlin präsentiert
Die Aktion läuft am 6. März an. Am 29. März will man in Berlin persönlich den „letzten Kittel“ präsentieren. Darunter auch den aus Feldberg, hat sich Doreen Wegner fest vorgenommen. Schon jetzt können in der Feldberger Luzin–Apotheke Postkarten von allen unterschrieben werden, die die Einrichtung vor Ort für wichtig halten.
Beim Rosenmontagsumzug dabei
Dass die Chefin der Luzin–Apotheke und ihre Mitarbeiter trotz aller Unwägbarkeiten zum Glück immer noch Galgenhumor besitzen, haben sie indessen beim Rosenmontagsumzug in Feldberg vor wenigen Tagen bewiesen. Auch bei dieser Gelegenheit wurde allerdings unmissverständlich klar gemacht, worum es geht: um das Apothekensterben. Die Resonanz auf diesen Auftritt spürt man in der Luzin–Apotheke bis heute. Nur nach Berlin scheint es sich noch nicht herumgesprochen zu haben. „Wir fühlen uns von der Bundespolitik abgewatscht“ stellt Wegner noch einmal unmissverständlich klar.