Demonstration
▶ Apothekerin aus der Seenplatte singt Lauterbach-Protestsong in Berlin
Berlin / Lesedauer: 4 min

Robin Peters
Beim Höhepunkt der bundesweiten Protestaktion „Der letzte Kittel“ am Mittwoch in Berlin haben auch Akteure aus der Mecklenburgischen Seenplatte ihrem Ärger über Mängel der Gesundheitspolitik Luft gemacht. Doreen Wegner, Leiterin der Luzin–Apotheke in Feldberg, sang mit rund 50 anderen Akteuren aus dem Gesundheitswesen vor der Komischen Oper ihren Protestsong „Was soll das“, der bereits im Internet große Beachtung gefunden hat.
Protest vor Lauterbachs Gesundheitsministerium
Mit Trillerpfeifen und Plakaten waren die Vertreter von Ärzte–, Zahnärzte–, Apotheker– und Therapeutenschaft vom Tagungszentrum der Bundespressekonferenz durch das Regierungsviertel bis ans Gesundheitsministerium gezogen, um Minister Karl Lauterbach (SPD) ihre „letzten Kittel“ mit kritischen Botschaften selbst zu überreichen, die auf dem Postweg wochenlang zurückgewiesen wurden.
Die Liste an Problemen, die aus Sicht der Protestler rund um die Vereine Interessengemeinschaft Medizin, Vereinigung Unabhängiger Vertragszahnärzte, Freie Apothekerschaft und Vereinte Therapeuten angegangen werden muss, ist lang. „So geht es nicht weiter“, sagte Doreen Wegner. Viele Menschen würden nur auf die hohen Preise in Apotheken schauen und gar nichts von der angespannten Lage in ihrer Branche wissen. Wegen fehlenden Medikamenten sei es selbst schwierig, Kinder mit dem Nötigsten zu versorgen. Eigentlich brauche Wegner in ihrer Apotheke auch personelle Unterstützung. Das könne sie sich aber nicht leisten.
E–Rezept überfordert Rentner
An der Aktion beteiligte sich auch Ines Behnke aus der Neuen Apotheke am Markt in Malchin. „Bei uns im Nordosten sind die Probleme besonders zu spüren“, sagte Behnke. Lieferengpässe bei Medikamenten und der Personalmangel seien dringlichere Probleme als fehlende Digitalisierung. Auf dem Land kenne man seine Kunden oft persönlich. Wenn dann ein Medikament wie ein spezielles Insulin nicht zu bekommen sei, fürchte man um die Gesundheit der Kunden. „Es geht um Leben und Tod.“
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Die meisten ihrer Kunden seien zudem über 70 Jahre alt. Die Apothekerin fragt sich, warum man gerade diese Generation jetzt mit dem E–Rezept überfordern müsse und es nicht sukzessive einführe. Digitalisierung sei nur sinnvoll, wenn es Arbeit erleichtere. Das sei gegenwärtig keineswegs der Fall.
Rezepte kontrollieren bis tief in die Nacht
Sandra Da Cruz, Inhaberin der Schloss–Apotheke aus Dargun, kontrolliert nach eigener Aussage nicht selten bis in die Nacht Rezepte nach. Denn selbst bei einem Formfehler, den ein Arzt unbeabsichtigt gemacht haben kann, kann eine Kostenübernahme verweigert werden. Da die Apotheker Medikamente vorfinanzieren müssen, könnten sie bei teuren Medikamenten auf Tausenden Euros sitzen bleiben. Deshalb hätten sie und ihre Kollegen ständig Existenzängste. Eine sogenannte Retaxation auf Null durch die Krankenkassen müsse endlich verboten werden.
„Wir wollen eigentlich nicht schließen“, sagt Daniela Hänel, Vorsitzende der Freien Apothekerschaft e.V. Denn der Beruf sei abwechslungsreich und nah am Menschen. Doch es lohne sich eigentlich nicht mehr, eine Apotheke zu führen. Margen seien minimal. Kostensteigerung durch die Inflation seien seit vielen Jahren nicht angepasst worden. „Wir haben die Schnauze voll von der Bürokratie“, fügte Ilka Enger, Ärztin und Vorsitzende der IG Med e.V. hinzu. Das Gesundheitssystem sei kaputtgespart worden.
Patienten sollen Protest–Karten ausfüllen
Und nun stehen mit dem GKV–Finanzstabilisierungsgesetz noch neue Sparmaßnahmen an, wie Annette Apel, stellvertretende Vorsitzende der Vereinigung unabhängiger Vertragszahnärzte darlegte. „Wenn noch der Hausarzt, Zahnarzt und die Apotheke verschwinden, geht im ländlichen Raum das Licht aus“, sagte Allgemeinmediziner und stellvertretender Vorsitzende des IG Med e.V., Steffen Grüner, und warb für mehr Wertschätzung ambulant tätiger Ärzte. Hausärzte müssten endlich leistungsgerecht bezahlt werden — ohne Budgetierung. „Das ist kein Jammern auf hohem Niveau.“

Nun wollen die Aktivisten eine weitere Aktion starten und ihre Patienten mit einbeziehen. Die sollen Protest–Karten ausfüllen können, die in Praxen oder Apotheken ausgelegt werden.