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Interview

Neuer Chef äußert sich zur Zukunft des Müritz–Nationalparks

Hohenzieritz / Lesedauer: 4 min

Ulf Zimmermann heißt der neue Mann an der Spitze der Müritz-Nationalparkverwaltung. Tobias Lemke wollte von ihm wissen, welche Herausforderungen ihn erwarten.
Veröffentlicht:27.05.2023, 07:15

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Warum sind Sie an die Seenplatte gewechselt?

Der Müritz–Nationalpark ist ein vielseitiger, einzigartiger Naturraum mit weltweiter Verantwortung. Es ist der Nationalpark mit der größten Landfläche in Deutschland und das sehe ich als großen Vorteil. Denn so können die natürlichen Entwicklungsprozesse auf einer ausreichend großen Fläche ungestört ablaufen. Das macht unseren Nationalpark einerseits zu einem wunderbaren Beispielprojekt, um diese Prozesse den Menschen anschaulich zu machen.

Andererseits ermöglicht gerade die Größe die langfristige Balance zwischen Schützen und Nützen und bietet beste Voraussetzungen, um gemeinsam mit den Menschen die Region weiterzuentwickeln und Akzente zu setzen, ohne die Schutzziele des Nationalparks zu gefährden.

Artensterben und Klima–Katastrophe sind allgegenwärtige Schlagworte. Wie geht es denn dem Müritz–Nationalpark?

Ich bin derzeit noch dabei, mir ein umfassendes Bild zu machen. Vielleicht schon einmal so viel zum Klimawandel: Die trockenen Sommer sind im Hinblick auf die Waldbrandgefahr auch hier ein hohes Risiko. Dieser Gefahr ist man sich sowohl bei den zuständigen Behörden wie auch innerhalb der Nationalparkverwaltung sehr bewusst. Einsatzplanungen und Präventionsmaßnahmen wurden in der Vergangenheit bereits erarbeitet und in der bestehenden AG Waldbrandschutz wird sich mit Katastrophenschutz, Feuerwehr, Polizei, Landesforst und Nationalparkamt regelmäßig über aktuelle Entwicklungen ausgetauscht.

Welche Herausforderungen sehen Sie auf den Nationalpark und das Nationalparkamt in den kommenden Jahren zukommen?

Wandern im Müritz-Nationalpark
Wandern im Müritz-Nationalpark (Foto: Tobias Lemke)

Wie schon erwähnt, müssen wir mit der steigenden Waldbrandgefahr umgehen und dabei verstärkte Prävention, umfassende Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung der Besucher zum angepassten Verhalten in der Natur leisten. Selbstverständlich gilt es, die vielen Maßnahmen zum Arten– und Klimaschutz, wie z.B. Moorrenaturierungen, weiter fortzuführen. Hier ist im Nationalpark in den letzten 30 Jahren bereits viel umgesetzt worden. Doch sich verändernde Bedingungen brauchen dort auch in Zukunft neue und oft arbeitsintensive Antworten.

Ein weiteres wichtiges Schlagwort ist die Digitalisierung wie etwa den Ausbau der digitalen Besucherlenkung, die Nutzung neuer sozialer Medien und die Digitalisierung der Verwaltung. Für alle diese sich verändernden Aufgaben und sämtliche weiteren Verpflichtungen wie die Umweltbildung oder die Forschung und das Monitoring gilt es, ausreichende Kapazitäten zur Verfügung zu haben, um den Bedürfnissen der Bevölkerung an ihrem Nationalpark gerecht werden zu können.

Die Natur Natur sein lassen, lautet das Motto. Die Herangehensweise und Einschränkungen stoßen immer mal wieder auf Widerstände. Wie werden Sie dem begegnen und wo sehen Sie aktuell Konflikte?

Nutzungs– bzw. Interessenskonflikte sind normal und liegen insbesondere bei Großschutzgebieten in der Natur der Sache. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass man diese Herausforderungen gemeinsam lösen kann. Daher sollte man rechtzeitig und aufrichtig miteinander die Probleme besprechen und willens sein, aufeinander zuzugehen. In meiner langjährigen Tätigkeit in den unterschiedlichsten Schutzgebieten habe ich sehr gute Erfahrung mit Partizipation und Basisdemokratie, insbesondere während meiner Zeit in der Schweiz, gemacht. Es braucht ein gegenseitiges Verständnis für das jeweilige Bedürfnis des Anderen, dessen Rolle wie auch für die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Dann lassen sich Konflikte durchaus lösen, indem gemeinsam Kompromisse oder besser noch ein Konsens gefunden wird und Ziele gemeinsam entwickelt werden.

Welche Vorstellung haben Sie von der Zusammenarbeit mit den Nationalpark–Anrainer–Gemeinden?

Ich würde mir, wie mit allen anderen Akteuren in der Region auch, eine offene und gute Zusammenarbeit wünschen. Wie diese in Zukunft genau aussehen kann, werden wir noch mit den Gemeinden besprechen.

Was haben Sie sich sonst noch vorgenommen?

Ich möchte, dass wir die Philosophie „Natur Natur sein lassen“ konsequent fortsetzen. Der Müritz–Nationalpark steht hier als größter Landnationalpark Deutschlands besonders in der Verantwortung. Unzerschnittene Gebiete, ungestörte Naturräume sind in Deutschland eine Seltenheit und bieten die letzten Rückzugsmöglichkeiten für viele seltene Tier– und Pflanzenarten.

Unsere Aufgabe ist es, das zu schützen und in schonender Art und Weise für den Besucher erlebbar zu machen. Natur fasziniert und weckt Begeisterung, wenn wir Menschen uns die Zeit dafür nehmen und lernen, sie besser zu verstehen. Die ungestörte Dynamik, die offensichtliche Kraft, die in der Natur steckt und die Schönheit, die sich daraus entwickelt und beobachten lässt, machen mir persönlich Mut und stimmen mich positiv für die Zukunft. Dieses Gefühl möchte ich gerne weitergeben.

Zur Person: Ulf Zimmermann

Aufgewachsen ist Ulf Zimmermann in Siegen (Nordrhein–Westfalen). Er ist ausgebildeter Forstwissenschaftler der Ludwig–Maximilians–Universität in München und hat außerdem einen Masterabschluss im Sustainable Ressource Management (MSc). Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der Entwicklung und dem Management von Großschutzgebieten und der nachhaltigen Entwicklung ländlicher Regionen. Zuletzt war Ulf Zimmermann als Amtsleiter im Nationalpark Sächsische Schweiz tätig. Seinen Dienst an der Müritz hat er am 1. April dieses Jahres angetreten.