Wie eine Weltenbummlerin ihre Heimat bereichert
Neustrelitz / Lesedauer: 4 min

Einige Menschen auf dieser Welt haben einfach Energie für zwei. Anne Ammerstorfer ist so eine Person. Bei ihrem Lebenslauf fragt man sich: Wie schafft sie das? Zum Beispiel in ihrem Leben in so vielen verschiedenen Ländern gelebt zu haben – von den Vereinigten Staaten über Österreich und England bis Ägypten und Jordanien oder auch Kuwait. Geboren in Seewalde, ab fünf in Neustrelitz aufgewachsen, spürte die heute 44-Jährige schon als Schülerin den Drang mehr zu sehen von der Welt als die kleine Residenzstadt. So ging sie in der elften Klasse für ein Jahr nach Texas in die USA. Die Zeit war prägend für Anne. Noch immer pflegt sie den Kontakt zu ihren Gasteltern und den beiden Gastgeschwistern und besuchte sie später sogar mit ihren eigenen Kindern.
Mit Familie in Ägypten und Jordanien gelebt
Dass sie nach dem Abitur unbedingt wieder zurück in die Staaten kehren muss, war schnell beschlossen. Doch bevor sie für ein weiteres Jahr nach Denver in die Staaten zog, absolvierte sie erst eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation in Frankfurt am Main. „Leider musste ich nach eineinhalb Jahren wegen des abgelaufenen Visums wieder ausreisen“, erklärt sie und ging nach Freising, um als Nachtmanagerin in einem Hotel zu arbeiten. „Das hatte ich eigentlich gar nicht gelernt, aber ich bin gut organisiert und fühlte mich wohl in der Branche.“ Die Hotelbranche war es schließlich auch, die ihr das Leben als Weltenbummlerin ermöglichte. So arbeitete sie auch in Österreich und reiste dann geschäftlich zwei Jahre lang durch England, Schottland und Irland – bis sie den Vater ihrer Kinder kennenlernte. „Jürgen war auch in der Hotelbranche tätig. Als es ihn beruflich nach Kuwait zog, ging ich mit unserem ersten Kind Mateo, der in London geboren wurde, mit“, denkt sie an die Zeit zurück. Nach einem kurzen Abstecher in Neustrelitz und der Geburt ihrer Tochter Stella ging die Familie gemeinsam nach Ägypten und dann Jordanien.
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Die Beziehung hielt nicht und sie zog mit ihren Kindern zur Schwester nach Heidelberg. Doch dann stellte sich die Frage, was nun? „Die Hotelbranche war für mich als allein erziehende Mutter mit zwei Kleinkindern nicht mehr vereinbar. Ich brauchte einen Plan B.“ Wie man im Gespräch mit ihr schnell merkt, mangelt es ihr an Ideen nicht. So eröffnete sie zunächst einen Second-Hand-Laden für Kinderkleidung, stellte aber nach drei Jahren fest, dass sich das Business nicht rentiert und arbeitete zum ersten Mal in ihrem Leben in ihrem ursprünglich gelernten Beruf in der Uniklinik Heidelberg – bis ihre Schwester eine entscheidende Frage stellte. „Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, aber als meine Schwester fragte, ob wir wieder in die Heimat ziehen wollen, stimmte ich direkt zu. Meine Eltern sind jetzt beide knapp 80.“
Mit der Schwester Tür an Tür
Nun haben die beiden Schwestern ihre eigenen Läden. Schwester Katja als Frisörin. Anne als Café-Betreiberin, direkt nebenan. „Ursprünglich wollte ich in dem Laden eine Art ständigen Floh- und Handwerkermarkt etablieren, aber dann dachte ich ‚Warum nicht auch ein Café draus machen?‘.“ Seit drei Jahren betreibt die Powerfrau nun ihr Café FreiRaum41 mit kleinem Hofgarten und schafft dort nicht nur einen Raum für Austausch und ein Stück Normalität in diesen Zeiten. Sie schafft auch Synergien und kooperiert mit regionalen Akteuren, wie dem Kulturquartier, dem Bio-Bauer Karsten Dudziak, der Roggentiner Konditorei und dem Bio-Bäcker in Lychen.
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Ihren Gästen kann sie so ein Rund-um-Programm bieten – mit monatlich wechselnden Ausstellungen, wöchentlichen Live-Musik-Abenden, einem indischen Essen im Monat und unterschiedlichen Workshops. „Ich bin sehr froh, dass ich mir in meinem ersten Jahr vor der Pandemie schon ein Stammpublikum aufbauen konnte.“ Denn nicht nur die Pandemie kam ihren Plänen in die Quere. Auch die Baustelle direkt vor der Tür sorge nicht gerade für Laufkundschaft. Aber Anne ist guter Dinge. Wie es scheint, wie immer in ihrem Leben. Ob sie nun für immer in der Heimat bleiben will, weiß sie noch nicht. „Für mich ist Heimat immer da, wo ich gerade bin und wo ich tolle Menschen um mich herum habe. Wer weiß, wo es mich noch hinzieht.“