Coronavirus in MV

„Verschwinden Sie!” – Arzt sieht bei Ungeimpfter rot

Pasewalk / Lesedauer: 4 min

Anne Weidemann ist nicht gegen das Coronavirus geimpft. Sie hat ihre Gründe. Die wollte ein Arzt aber gar nicht hören. Er soll sie ziemlich ruppig aus der Praxis geworfen haben.
Veröffentlicht:08.01.2022, 13:47
Aktualisiert:11.01.2022, 13:19

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Anne Weidemann aus Viereck bringt nichts so schnell aus der Ruhe. Sie zieht mit ihrem Partner zwei Söhne groß, hat einen anstrengenden Beruf, schmeißt einen Haushalt – alles kein Problem. Aber die Art und Weise, wie ihr neuerdings einige Mitmenschen begegnen, kratzt an ihrem Nervenkostüm. „Als Ungeimpfte fühle ich mich wie ein Mensch zweiter Klasse“, sagt die 36-Jährige.

Es begann schleichend. Als die Kranken- und Altenpflegehelferin im Juli aus der Elternzeit ins Berufsleben zurückkehrte, war irgendwie alles anders. Alle redeten über die Corona-Impfung. Leute fragten sie, ob sie geimpft ist. „Aber damals ging mit Test trotzdem noch alles.“ Wochen und Monate zogen ins Land. Das Thema wurde immer präsenter, Verbote und Einschränkungen immer strenger. Irgendwann durfte sie nicht mehr in jedes Geschäft, nicht ins Kino, nicht in Gaststätten, ohne Test nicht zur Arbeit. Mit all dem konnte sie leben.

Doch dann veränderte sich das Verhalten der Menschen ihr gegenüber. „Ob ich einkaufen bin oder woanders, man merkt das irgendwie. Sie gehen auf Abstand. Als sei man ein Risikofaktor für die Gesellschaft.“ Diese Beobachtungen blieben lange nur so ein Gefühl ohne konkrete Vorkommnisse - bis zum 30. Dezember.

Mit Tränen in die Notaufnahme

„Ich war zu Hause gestürzt und bin nach Pasewalk zum Arzt gefahren.“ Der überwies sie zum Röntgen ins Krankenhaus. „Ich wurde geröntgt, habe eine Fraktur im linken Handgelenk“, berichtet Anne Weidemann.

„Dann fragte mich der Arzt, ob ich geimpft bin. Ich sagte ‚nein‘. Da sagte er, ‚Gehen Sie zur Rettungsstelle und lassen sich einen Verband geben‘. Dann schubste er mich an der Schulter aus der Praxis und rief mir noch hinterher, ‚Verschwinden Sie. Lassen Sie sich nie wieder sehen. Wer ein bisschen Gehirn hat, lässt sich impfen‘. Mir liefen die Tränen.“ Weinend kam sie in der Notaufnahme an und ließ sich verarzten.

Unsicher bei Impfstoffen

Das Erlebte lässt sie auch eine Woche später nicht los. „Er hat nicht einmal gefragt, warum ich nicht geimpft bin.“ Das nämlich hätte sie dem Radiologen gern erklärt. „Ich bin keine Corona-Leugnerin oder so.“ Schon gar keine Querdenkerin. Sie sei schlicht und einfach verunsichert ob der ständig wechselnden Informationen.

„Alle Konzerne sagen, sie hätten den besten Impfstoff. Erst war Astrazeneca zugelassen, dann wurde es vom Markt genommen. Dann wurde Johnson und Johnson angepriesen, das wurde inzwischen auch schon fast wieder abgeschafft. Jetzt gibt es überall Moderna und Biontech, aber ob die wirklich gut sind, weiß niemand. Mittlerweile gibt es eine neue Variante aus Frankreich, die hat noch nicht einmal einen Namen.“ Oft habe sie mit ihrer Familie über die Impfung nachgedacht. Zu einem Entschluss, welcher Wirkstoff der beste ist, sei sie nicht gekommen.

Hausverbot in Praxis und Klinik?

Anne Weidemann fragt sich nun, ob der Rauswurf aus der Röntgenpraxis als Hausverbot zu verstehen ist, und ob das Hausverbot für die ganze Klinik gilt. Ihre kleinen Jungs können sich beim Toben schnell mal verletzen. „Darf ich als Mutti mit ihnen dann überhaupt noch in die Klinik?“

Natürlich darf sie das, sagt Steffi Kapell vom Qualitätsmanagement der Asklepios-Klinik. „Selbstverständlich steht allen Patienten und Begleitpersonen unabhängig vom Impfstatus und persönlicher Einstellungen unsere Klinik für eine medizinische Behandlung zur Verfügung.“ Kinder dürften natürlich trotz Besuchsverbots begleitet werden. Sie betont, dass „die Praxis für Röntgendiagnostik eigenständig ist. Den Sitz haben zwei Ärzte inne." Ein dritter, derjenige, der Anne Weidemann so ruppig behandelt haben soll, sei in der Praxis angestellt. Die Asklepios-Gesellschaft habe "keine Personalverantwortung für ärztliche Mitarbeiter".

Arzt will sich nicht äußern

Und wie steht es mit der Röntgenpraxis? Bedeutet die Aufforderung, „lassen Sie sich nie wieder sehen“, dass Anne Weidemann wirklich nicht mehr in diese Abteilung im Krankenhaus darf? „Natürlich ist sie bei uns immer willkommen“, sagte ein Kollege des unsanften Arztes. „Sie hat auf keinen Fall Praxisverbot.“ Zu dem Vorgang an sich sagte der Mediziner nichts, er war schließlich nicht einmal dabei. Der Röntgenfacharzt, der die Frau geschubst haben soll, wollte sich gegenüber dem Nordkurier nicht äußern.

Anne Weidemann hat übrigens längst einen Impf-Termin. Den hatte sie auch schon bei dem Vorfall in der Röntgenpraxis. Am 2. Februar lässt sie sich impfen – auf Anordnung ihres Arbeitgebers.