Das waren seine Amtsjahre

Adieu, Rainer Dambach!

Pasewalk / Lesedauer: 5 min

Was bleibt, wenn ein Mensch völlig unerwartet geht? Wenn sein Grabstein nicht einmal in der Stadt, in der er elf Jahre Bürgermeister war, stehen wird. Rainer Dambach – eine Spurensuche.
Veröffentlicht:26.11.2013, 12:02

Von:
  • Angela Stegemann
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Die Wahlparty im Pasewalker Bürohaus im Jahr 2002. Da ist einer Bürgermeister geworden, den außer von den Wahlkampfauftritten fast niemand kannte. Der Schwabe Rainer Dambach, der sich 1995 in Groß Spiegelberg ein Haus kaufte, zieht ins Pasewalker Rathaus ein. Der steht inmitten der SPD/PDS-Wahlparty, lächelt und sagt zu mir: „Das habe ich eigentlich gar nicht gewollt.“

So schnell kann das gehen, kann eine Biertisch-Idee Wirklichkeit werden. Da muss er jetzt durch. Der studierte Landschaftsplaner, der eigentlich von sich sagte, dass er gar kein  Verwaltungsmensch ist, arbeitet sich im Laufe der Jahre durch die Paragrafen der Kommunalpolitik.

Das muss man anerkennen: Da findet er sich erstaunlich schnell hinein. Sein erstes Projekt: Er muss die Marktplatzsanierung mit Glockenturm und Springbrunnen zu Ende führen. Dass er diesen Platz nie mochte, daraus machte er bis zuletzt keinen Hehl.

„In Pasewalk wird kein Baum gefällt, ohne dass ich zugestimmt habe“

Welche Spuren bleiben aus Rainer Dambachs Jahren? Die Markt- und Stettiner Straße, die Gartenstraße wurden saniert. Er setzte sich gleich zu Anfang seiner Amtszeit dafür ein, dass die Marktscheune ausgebaut wurde. Auch der Neue Markt trägt seine Handschrift.

Dambachs Slogan: „In Pasewalk wird kein Baum gefällt, ohne dass ich zugestimmt habe.“ Der Radweg Berlin-Usedom wird ausgebaut, eine Brücke über die Uecker entsteht ebenso wie der Wasserwanderrastplatz. In der Baustraße wird eine leer stehende Schule wieder Grundschule. Die Sanierung des Hauses Am Markt 12 beginnt. Die große Steinkugel in der Haußmannstraße entsteht.

Und Dambach stören die Ruinen. Die alte Molkerei und das Verwaltungsgebäude des Wohnungsbaukombinates fallen. Er organisiert Fördermittel, um die ehemalige Großbäckerei abzureißen. Auch im Plattenbaugebiet Oststadt werden Straßen saniert, eine alte Kita abgerissen, entstehen Spielplätze und ein Park, eine Turnhalle. Das Großgewerbegebiet wird ausgewiesen. Doch es ist leer.

Christ, Kulturliebhaber, Schachspieler

Rainer Dambach redet oft darüber, dass er es sich einfacher vorgestellt hat, Wirtschaft anzusiedeln. Er holt den Flugzeugbauer Remos Aircraft. Schokoladenfabrik, Autoteile-Zulieferer – Pläne, aus denen nichts wird. Der parteilose, links denkende Christ Rainer Dambach ist jemand, der die Kultur liebt, der Schach spielt. Sogar in seinem Bürgermeister-Zimmer stand ein Schachbrett. Schon als Westberliner fuhr er in Ostberliner Theater und Opernhäuser. In der Stadt, die er dann regiert, setzt er sich mit für einen Kunstgarten an der Uecker ein, für jährliche Kunstmärkte, unterstützt den Kultursommer in Sankt Marien und Sankt Nikolai.

Doch was Rainer Dambach nicht kann: sich in die geschichtlichen Traditionen der Stadt hineinzuversetzen, in der er jetzt Bürgermeister ist. Mit der Eisenbahn und den Kürassieren konnte er sich nie anfreunden. Das nahmen ihm viele Pasewalker übel.

Misstrauischer Mensch mit wenig Lobesworten

Wahrscheinlich strapazierte sein Herz auch über, dass er ein sehr misstrauischer Mensch war, der am liebsten alles allein machte. Seine Rathaus-Mitarbeiter konnten sich noch so mühen. Rainer Dambach lobte selten. So wie in anderen Städten üblich, sah man ihn bei offiziellen Anlässen selten im Doppelpack mit Stadtpräsident Norbert Haack (CDU). Das ist eben jener Mann, gegen den er bei der Bürgermeisterwahl 2002 gewann. Obwohl man danach immer den Eindruck hatte, dass beide gut miteinander konnten.

Haack versuchte sich als Polarisierer. Nicht nur zur CDU-Fraktion war Dambachs Verhältnis von Anfang an gespalten. Das beruhte wohl auf Gegenseitigkeit. Die Christdemokraten konnten ihm nicht verzeihen, dass ihre Bürgermeister-Kandidaten sowohl 2002 als auch 2010 unterlagen. Schließlich versuchten sie, ihn sogar des Amtes zu entheben.

Geheimnis um die Kita nimmt er mit ins Grab

Rainer Dambach und sein Verhältnis zu den Stadtvertretern, das war all die Jahre kompliziert. Das Geheimnis, ob er nun beim Verkauf der Kita „Am Storchennest“ gemauschelt hat oder nicht, das wird er wohl mit ins Grab nehmen. Über alle Parteigrenzen hinweg gab es aber für eines Anerkennung: sein Engagement gegen Neonazis. Das Aktionsbündnis „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt!“ wird etwas sein, was bleibt. Sein Vermächtnis.

Ihm wurden Affären nachgesagt

Betrachtet man elf Jahre Bürgermeister-Zeit, dann kommt man um ein Thema nicht herum: Rainer Dambach und die Frauen. Ihm wurden Affären nachgesagt. Aber letztendlich zählte dann immer wieder nur eine in seinem Leben: Waltraud Gundlaff. Sie, Jahrgang 1951, lernte er beim Studium kennen. Ebenso eine starke Persönlichkeit – wie er. Doch da sie mit ihm zwar verheiratet war, aber ihren Mädchennamen behielt, kamen die Pasewalker erst spät dahinter, dass sie die Dambach-Ehefrau ist. Mit ihrem Mann fand sie ein gemeinsames Projekt: das Wiederbeleben von Pasewalks nicht mehr genutzter, ältester Stadtkirche, Sankt Nikolai, für den Kultursommer.

Da war dann oft noch eine andere Frau dabei: Meta Dambach (89). Rainer Dambachs Mutter lebte meist bei ihrem Sohn und der Schwiegertochter in Groß Spiegelberg. Auch sie konnte sich für klassische Musik begeistern, wurde mit ihrem Sohn aber auch allein auf dem Fußballplatz in Torgelow gesichtet. Zum Kultursommer in Sankt Nikolai rührte sie schwäbischen Kartoffelsalat an, eine Frau mit Herz. Wie schwer muss es für eine Mutter sein, wenn der Sohn vor ihr geht?

Dass es Rainer Dambach nicht gut ging, dafür gab es in den zurückliegenden Wochen viele Anzeichen. Er, der sonst gern im Mittelpunkt stand, hielt sich bei der letzten Senioren-Stadtrundfahrt zurück. Er lächelte gequält. Er sah schlecht aus. „Es wird schon wieder“, meinte er. Da sprachen wir am 1. November. Es wurde nicht. Adieu, Rainer Dambach.