StartseiteRegionalPasewalkAus Angst? Mitarbeiter wehren Gründung eines Betriebsrats ab

Versuch gescheitert

Aus Angst? Mitarbeiter wehren Gründung eines Betriebsrats ab

Pasewalk / Lesedauer: 3 min

Das haben die Gewerkschafter auch noch nicht erlebt: In einem Pasewalker Seniorenheim wollten Beschäftigte einen Betriebsrat etablieren. Sie scheiterten.
Veröffentlicht:07.02.2023, 17:58

Von:
  • Fred Lucius
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„Das ist ja ordentlich in die Hose gegangen“, sagt Klaus-Dieter P. (Name geändert). Was der Mitarbeiter des Cura Seniorencentrums Pasewalk meint, ist der „kläglich gescheiterte Versuch“, in der Einrichtung mit rund 120 Beschäftigten einen Betriebsrat zu gründen. Nicht einmal einen Wahlvorstand habe man etablieren können. „Es gab früher schon einmal einen Betriebsrat, der sollte aktiviert werden“, erklärt Klaus-Dieter P.

Es hatten sich seinen Angaben zufolge vier Mitarbeiter für den Wahlvorstand gefunden. Der sollte die eigentliche Betriebsratswahl vorbereiten. Doch bei der Versammlung mit 47 Teilnehmern habe niemand eine Mehrheit von 24 Stimmen für diesen Posten erhalten. „Es wurde eine geheime Abstimmung verlangt. Da habe ich schon geahnt, dass das nichts wird. Einige haben nachher sogar geklatscht, dass kein Wahlvorstand zustande kam“, zeigt sich der langjährige Mitarbeiter enttäuscht. Und er ist überzeugt, dass viele Beschäftigte gar nicht verstanden haben, worum es gehe.

Falsche Informationen im Umlauf

So hätten einige Mitarbeiter vermutet, dass sie mit einem Betriebsrat weniger Geld bekommen oder gar in die Gewerkschaft eintreten und dort Beiträge zahlen müssen. Der Betriebsrat handele auch keine Löhne aus, widerspricht der Cura-Mann einem weiteren Vorurteil. Leitungsmitarbeiter hätten vermutet, dass die Interessenvertretung in Dienstpläne „hineinpfuscht“. Das wolle er natürlich nicht, wobei ein Betriebsrat aber im Interesse der Mitarbeiter mithelfen könne, diese optimaler zu gestalten. Gleiches gelte für die Etablierung einer bislang fehlenden Betriebsrente. „Es sind viele falsche Informationen und Unwissenheit im Umlauf gewesen“, ist sich Klaus-Dieter P. sicher.

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Mit dem Votum Demokratie unterbunden

Das vermuten auch Friedrich Gottschewski vom Fachbereich Gesundheit und Soziales des Verdi-Bezirks Neubrandenburg/Greifswald und Roger Müller, DGB-Geschäftsführer für die Region Ost MV in Neubrandenburg, die beide bei der Versammlung anwesend waren. Die Gewerkschafter betonen, dass Cura als Arbeitgeber fair gehandelt und nichts unternommen habe, um einen Betriebsrat zu verhindern und auch nicht mit schmutzigen Tricks gearbeitet habe. „Viele Beschäftigte haben ihren Unwillen gegen einen Betriebsrat ausgedrückt. Das habe ich so noch nicht erlebt“, sagt Gottschewski. Man habe mit dem Votum Demokratie unterbunden, bevor Demokratie erst einmal starten konnte. Das sei respektlos und ein Schlag ins Gesicht gegenüber den Mitarbeitern, die sich als Wahlvorstand haben aufstellen lassen wollen. Man müsse ja erst einmal Leute finden, die sich als Laien einer solchen Aufgabe stellen, sagt der Verdi-Mann.

Andere Beispiele zeigen: Es funktioniert!

Für Einrichtungen mit einer Größe wie Cura mit mehr als 100 Mitarbeitern sei es normal, dass über einen Betriebsrat Mitbestimmungsrechte in Anspruch genommen werden. Senioren-Einrichtungen wie etwa in Ueckermünde würden zeigen, dass dies auch funktioniere.

Auch Gottschewski glaubt, dass es unter den meisten Beschäftigten eine Unwissenheit gibt, Mitarbeiter Angst hätten, dass ihnen etwas weggenommen werde. Als zuständige Gewerkschaft überlege man nun, über das Arbeitsgericht ein gerichtliches Verfahren einzuleiten, um das Ziel weiter zu verfolgen. Dazu müssten aber die bisher Aktiven in Sachen Betriebsrat bereit sein und diesen Weg mitgehen. Weil nur ein Teil der Beschäftigten bei der Versammlung anwesend gewesen sei, könne man nicht wissen, wie die anderen Mitarbeiter darüber denken, fügt Roger Müller hinzu.

Cura-Einrichtungsleiter Daniel Grimm sagte, man habe die gesetzlichen Vorgaben in Zusammenhang mit Betriebsratswahlen eingehalten. So seien auch Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt worden.

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