Zucht
Ein Pferd aus Polzow bringt es zu Weltruhm
Polzow / Lesedauer: 3 min

Fred Lucius
Es ist nasskalt an diesem Vormittag in Polzow. Doch auch bei diesem Wetter sind die Pferde auf den Koppeln des Landwirtschaftsbetriebes Martin Jürgens. „Die brauchen die frische Luft“, sagt der 62-Jährige und nähert sich beim Gang über die Weide den beiden Stuten Levisto Model (19) und Dackaria (7). Bei der einen handelt es sich um die Oma, bei der anderen um die Tochter von Chakaria. Chakaria? Genau, die elfjährige Fuchsstute, die mit André Thieme aus Plau am See einem der erfolgreichsten Springreiter Deutschlands gehört, die in Polzow bei Pasewalk aufgewachsen ist und hier erste sportliche Erfolge feierte. Der 46-jährige Thieme war mit Chakaria bei den Olympischen Spielen in Tokio dabei – damit der erste Reiter aus den neuen Bundesländern, der für Deutschland nach 1990 an Olympischen Spielen teilnahm.
„Gleich gesehen, dass die Stute Potenzial hat”
Anfang des Jahres holte das Reiter-Pferd-Paar auf seiner Amerika-Tour den Sieg im Ein-Million-Dollar-Springen in Ocala (Texas). Zuletzt wurde der Plauer mit seinem Deutschen Sportpferd bei der Heim-EM Europameister im Einzelreiten in Riesenbeck (Nordrhein-Westfalen) und holte Silber mit der Mannschaft. Hinzu kommen weitere Siege und Platzierungen bei Großen Preisen. Er habe noch nie ein solch gutes Pferd gehabt, Chakaria sei das Pferd seiner Karriere, hatte André Thieme nach den Erfolgen geschwärmt.
„Dass die Stute Potenzial und Vermögen hat, konnte man früh sehen“, erzählt Landwirt Martin Jürgens, der schon zu DDR-Zeiten Pferde gezüchtet hat und der sich mit seiner Familie und seinen Mitarbeitern diesem Zweig seit der Aufgabe der Milchproduktion im Jahr 2014 intensiv widmet. Chakaria habe schon als junges Pferd Springvermögen besessen und Rittigkeit gezeigt, also Bereitschaft und Merkmale, sich reiten zu lassen, sagt der Experte. Auch ein gutes Springpferd könne keiner zwingen, über einen Steilsprung von 1,70 Meter zu springen. Das Pferd müsse auch wollen.
„Eine Garantie für ein gutes Pferd hat man nie”
Die Mutter Askaria wurde mit Chap, einem jungen Hengst vom brandenburgischen Gestüt Neustadt-Dosse, angepaart. „Eine Garantie für ein gutes Pferd hat man nie. Aber der Stammbaum hinter diesem Hengst war gut“, erklärt der Polzower, der auch Vorsitzender des Pferdezuchtverbandes Uecker-Randow ist. Das zweite Fohlen von Askaria, von einem anderen Hengst, habe es nicht zu einem Weltklassepferd geschafft. Bis 2018 wurde Chakaria von Martin Jürgens Schwiegersohn Ulf Ebel geritten, der mit ihr auch in schweren Springen gute Platzierungen erreichte. Mit acht Jahren ging die Stute dann an André Thieme über.
Zu DDR-Zeiten von solchen Tieren geträumt
„Wir haben zwischen zehn und 15 Fohlen im Jahr. Wir behalten aber nicht alle, nur die besten“, sagt Martin Jürgens. Gezüchtet werde mit den Mütter-Stämmen. Einfach einen berühmten Hengst anpaaren, das könne auch daneben gehen. Eingeritten werden die jungen Pferde aus Zeitgründen in dafür spezialisierten Betrieben. „Im Laufe der Jahrzehnte sind die Pferde viel besser geworden, was die Leistung und auch das Aussehen betrifft. Zu DDR-Zeiten hätten wir von solchen Tieren geträumt. Auch der Pferdesport ist viel anspruchsvoller geworden.“
Rund um die Pferdezucht dreht sich auch alles am Donnerstag, 11. November. Der Zuchtverein Uecker-Randow lädt seine Mitglieder und interessierte Pferdezüchter zu einer Versammlung mit Fachvortrag um 19 Uhr ins Pasewalker Hotel am Park ein. Der Hippologe (Pferdekundler) und international bekannte Zuchtrichter Claus Schridde hält den Vortrag und wird auch über wertvolle Stutenfamilien sprechen. „Das ist eine Veranstaltung für alle Pferdezüchter – für die von Mecklenburger Warmblut, aber auch für Züchter von Ponys und Reitponys“, sagt Martin Jürgens. Der Zuchtverein zählt nach seinen Angaben zurzeit 28 aktive Mitglieder.
Infos: Telefon 039754 525110