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Europas größter Adler hat im Peenetal die Lufthoheit

Vorpommern / Lesedauer: 3 min

Eindeutiger Chef in der Luft sind im Naturpark Flusslandschaft Peenetal die majestätischen Seeadler. Einst waren sie hier fast schon ausgestorben.
Veröffentlicht:27.11.2022, 14:53

Von:
  • Norbert Warmbier
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Vor langer Zeit formte die Eiszeit auch unsere Natur in Vorpommern. Die einsetzenden Abschmelzungsprozesse hinterließen vor 10.000 Jahren Hügel, Flüsse, Seen und große Findlinge. So formte sich ein riesiges Bilderbuch aus Wäldern, Mooren und Kulturlandschaften, die es auch für kommende Generationen zu erhalten. Diese Aufgabe erfüllt der Naturpark Flusslandschaft Peenetal nach seiner Gründung 2011 unter der Leitung von Frank Hennicke hervorragend, so dass man durch die vorbildlichen Renaturierungs- und Pflegemaßnahmen heute anerkennend vom „Amazonas des Nordens“ spricht.

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Diese Schutzfläche erstreckt sich mit seinen rund 33 000 Hektar gleich an den Naturpark „Mecklenburger Schweiz und Kummerower See“ über Demmin, Loitz, Jarmen, Gützkow, Anklam bis zum Mündungsbereich der Peene einschließlich des Naturschutzgebiets Anklamer Stadtbruch. Das weitgehend unverbaute Flusssystem der Peene erstreckt sich von Aalbude, Peenestrom bis zum Stettiner Haff. Hier bilden rund 20 000 Hektar ein unvergleichbares Flusstalmoor, welches gleichzeitig eines der größten Niedermoorgebiete in Mitteleuropa ist.

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Der Bodentyp ist noch intakter Torf, der durch Wasserüberschuss klimafeindliche Schadstoffe bindet. Der Naturpark bietet aber auch eine mosaikartige Fläche aus Kulturland mit jeweils 35 Prozent Ackerstandorten und genutztem Grünland, Wälder wachsen auf einer Fläche von 13 Hektar.

Große Renaturierungsflächen

Der wertvollste Bestand sind jedoch die 17 Prozent Moorflächenanteil. Hervorzuheben im Peenetal ist die Vernetzung unterschiedlicher Moortypen, wie Quell-, Durchströmungs- und Überflutungsmoore. Auf größeren Flächen existieren noch Feuchtwiesen mit zahlreichen Rote-Liste-Arten wie Orchideen, Moortarant, Mehlprimeln und Trollblumen. Die an das Moor anschließenden Talrandbereiche sind oftmals mit artenreichen Trockenrasen bestanden, wo Kuhschellen, Sandstrohblumen und Bergsandköpfchen sprießen.

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Ein Seismograph gesellschaftlicher Veränderungen war auch im Naturpark die Wendezeit, denn aus Wirtschaftskulturen mit einer großen Naturzerstörung wurden anschließend wieder naturnahe Lebensräume. Einen zentralen Teil des Naturparks nehmen die großen Renaturierungsflächen ein. Diese Flachseen sind ein Hotspot für zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten. Bis zu 20.000 Kraniche, 40.000 Wildgänse und hunderte Reiher rasten hier. So manch einer träumt beim Anblick von kreisenden Greifvögeln dem Himmel so nah zu kommen wie die gewaltigen Seeadler. So scheint für den Betrachter die Welt da oben grenzenlos und frei zu sein, wo man dem Alltagsstress schnell entkommt.

Wieder mehr als 20 Seeadler-Paare

Ganz so einfach ist es aber nicht, denn noch vor 50 Jahren mussten die Adler ums Überleben kämpfen. Pflanzenschutzmittel hören sich eigentlich gesund an, doch in Wirklichkeit waren sie ein chemischer Giftcocktail für viele Lebewesen. Sie machten die Krallenträger unfruchtbar. So gab es im Altkreis Anklam nur noch zwei Brutpaare vom größten europäischen Adler mit seinen bis zu 2,40 Metern Flügelspannweite und 8 Kilogramm Kampfgewicht. Heute werden viele dieser Giftstoffe nicht mehr eingesetzt und so brüten hier mittlerweile wieder mehr als 20 Brutpaare. Ein toller Erfolg für die Adlerbetreuer, die sich auch durch eine umfangreiche Horstbetreuung für den Schutz der Riesengreife einsetzen. Im Sommer 2018 kamen allein im Bereich der Renaturierungsflächen des Anklamer Stadtbruchs bis zu 300 Seeadler zum Anblick.

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Aber auch kultur-historisch ist der Naturpark sehr wertvoll, denn hier befindet sich das erste Kloster Pommerns im wundervollen Hafendorf Stolpe und die einzigen bootsförmigen Grabsteinsetzungen der Wikinger im südlichen Ostseeraum im Alten Lager bei Menzlin.