Sanierung
Gewerkschaft warnt vor Asbest-Gefahr in Häusern
Vorpommern / Lesedauer: 3 min

Fred Lucius
Tonnen von Baumaterial mit Asbest stecken in Vorpommern-Greifswald in Altbauten, sagt Wolfgang Ehlert von der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) „Von 1950 bis 1989 kamen Asbest-Baustoffe intensiv zum Einsatz. Es ist davon auszugehen, dass es in jedem Gebäude, das in dieser Zeit gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt. Mal mehr, mal weniger“, sagt der Gewerkschafter.
In vier Asbest-Jahrzehnten entstanden 18.500 Häuser
Er spricht von „Asbest-Fallen“ und nennt Zahlen: „In den vier ,Asbest-Jahrzehnten‘ wurden im Landkreis Vorpommern-Greifswald rund 18.500 Wohnhäuser mit 60.800 Wohnungen neu gebaut. Das sind 29 Prozent aller Wohngebäude, die es heute gibt. Dazu kommen noch Gewerbegebäude, Garagen, Ställe und Scheunen in der Landwirtschaft.“ Der Bezirksvorsitzende der IG BAU Ostmecklenburg-Vorpommern verweist dabei auf die „Situationsanalyse Asbest“, die die Bau-Gewerkschaft beim Pestel-Institut (Hannover) in Auftrag gegeben hat.
Viele Todesfälle
Die Dimension und damit auch die Gefahr, die vom Asbest ausgehe, sei gewaltig: Insgesamt sind nach Angaben des Pestel-Instituts von 1950 bis 1990 bundesweit rund 4,35 Millionen Tonnen Asbest (Ost- und Westdeutschland) importiert worden. Daraus seien rund 3.500 Produkte hergestellt worden ‐ die meisten davon für den Baubereich: Knapp 44 Millionen Tonnen asbestbelastetes Baumaterial stecken bundesweit im Gebäudebestand. In den vergangenen zehn Jahren sind nach Angaben der IG BAU 3.376 Versicherte der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) an den Folgen einer asbestbedingten Berufserkrankung gestorben ‐ darunter allein 320 Baubeschäftigte im vergangenen Jahr.
Kritisch wird’s erst beim Sanieren
Asbest sei ein krebserregender Stoff. Wer in einem asbestbelasteten Haus wohne, müsse sich trotzdem erst einmal keine Sorgen machen. Erst bei Sanierungsarbeiten werde es kritisch. Dann könne Asbest freigesetzt und damit zu einem ernsten Problem werden, sagt Ehlert. Er warnt vor einer „unsichtbaren Gefahr“, wenn Altbauten zu Baustellen werden: „Alles fängt mit Baustaub und dem Einatmen von Asbestfasern an. Bauarbeiter und Heimwerker haben kaum eine Chance, diese Gefahr zu erkennen.“ Bis zu 30 Jahre dauere es, ehe es zur tragischen Diagnose komme: Asbestose ‐ mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs.
Altbauten sind „tonnenschweres Asbestlager“
„Altbauten im Kreis Vorpommern-Greifswald sind ein tonnenschweres Asbest-Lager. Die krebserregende Mineralfaser steckt in vielen Baustoffen. Die ‚Asbest-Fallen‘ lauern überall: Asbest ist oft im Putz und sogar in Spachtelmassen und Fliesenklebern. Vor allem aber im Asbest-Zement“, sagt Ehlert. Die IG BAU Ostmecklenburg-Vorpommern spricht von einer neuen „Asbest-Gefahr“. Man stehe am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten. Mit der Sanierungswelle drohe deshalb jetzt auch eine Asbest-Welle auf dem Bau. „Sie ist eine Gefahr ‐ für Bauarbeiter genauso wie für Heimwerker."
Forderungen für mehr Schutz
Die IG BAU will der drohenden „Asbest-Welle“ auf dem Bau jetzt mit einem Maßnahmenpaket entgegentreten. Die Bau-Gewerkschaft hat dazu eine bundesweite „Asbest-Charta“ mit zentralen Forderungen für mehr Schutz vor Asbest vorgelegt. Der Fünf-Punkte-Katalog kann bei der IG BAU Ostmecklenburg-Vorpommern angefordert werden. "Es geht dabei um bessere Informationen über Asbest-Gefahren bei Gebäuden, um die Förderung von Asbest-Sanierungen und vor allem auch um konsequenten Arbeitsschutz. Denn der bevorstehende Sanierungsboom darf nicht zu einer Krankheitswelle führen“, warnt Ehlert.
Der Gewerkschafter fordert zudem einen Schadstoff-Gebäudepass mit unterschiedlichen Gefahrenstufen für die jeweilige Asbest-Belastung eines Gebäudes. Jeder Bauarbeiter und jeder Heimwerker müsste wissen, auf was er sich einlässt, wenn er Fliesen abschlägt, Wände einreißt oder Fassaden saniert.
Forderung nach staatlicher Sanierungsprämie
Ehlert plädiert außerdem für eine staatliche Sanierungsprämie. Dazu müsse der Bund ein KfW-Förderprogramm Asbest-Sanierung schaffen. „Das hilft, Kosten abzufedern, die bei einer ‐ beispielsweise energetischen oder altersgerechten ‐ Gebäudesanierung in asbestbelasteten Wohnhäusern zusätzlich entstehen. Außerdem ließe sich damit auch eine ordnungsgemäße Entsorgung von alten Asbest-Baustoffen sicherstellen.“
Kontakt: [email protected]