Einkaufen im Dorf
Lebt Tante Emma aus der DDR in Jatznick als Enso wieder auf?
Jatznick / Lesedauer: 4 min

Susanne Böhm
Das Vorhaben, gemeinsam einen Einkaufsladen über den Kauf von Genossenschaftsanteilen nach Jatznick zu holen, erfreut sich bei den Einwohnern mehr und mehr Beliebtheit. Bis jetzt wurden 137 Anteile zu jeweils 100 Euro gekauft, also knapp die Hälfte der benötigten 300.
Das ist nicht schlecht für eine Gemeinde mit rund 490 Haushalten im östlichen Landesteil, allerdings, das betont der Amtierende Bürgermeister Frank Schulz, wird die Zeit knapp. Bis zum Ende der Angebotsfrist am 24. Oktober sind es gerade noch zehn Tage. „Wir müssen noch mehr als doppelt so viele Leute mobilisieren, wollen noch Bürgerbriefe in alle Haushalte schicken, um noch mehr Leute von der Wichtigkeit des Mini-Supermarktes zu überzeugen.“ Er hoffe sehr, dass das Vorhaben gelingt, hundertprozentig sicher sei er sich aber nicht.

Ähnlich sieht das Christopher Finke, Expansionsleiter bei der Enso GmbH mit Sitz in Bremen. „Das wird sportlich.“ 23 sogenannte Tante Enso-Läden von Niedersachsen bis nach München habe sein Unternehmen seit 2019 eröffnet. In vielen Dörfern seien die Anteile bedeutend schneller verkauft gewesen, nur bei wenigen sei es so eng geworden wie in Jatznick. Vergleichswerte aus Mecklenburg-Vorpommern gebe es bislang nur einen. Auch dort hätten die 300 Genossenschaftsmitglieder zügiger zugegriffen.
Laden wird nicht billig
Die Enso-Gruppe, die sich als Lebensmittelpionier versteht, habe nicht vor, die Einstiegsfrist zu verlängern oder mit der Zahl der Anteile herunter zu gehen. „Wir haben die 300 Anteilseigner bewusst gewählt. Die 30 000 Euro, die dadurch zusammen kommen, sind ein Tropfen auf den heißen Stein, die Eröffnungskosten natürlich viel höher.“ In der festgesetzten Zeitspanne von einem Monat ermittele Enso, „wie ist die Motivation in Jatznick, wie sind die Kunden finanziell aufgestellt“. Man plane schließlich keinen Billigladen zu eröffnen.
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Die Preise seien mit denen von Edeka vergleichbar. Persönlicher Service und Produkte aus der Region gehörten zum Konzept. Gerade in Vorpommern sei natürlich auch Polen zum Einkaufen sehr verlockend. „Wenn wir am Ende sehen, es fehlen noch Menschen, fehlen uns später auch Kunden und Nachfrage.“
Ein Griff in die Trickkiste, dass zum Beispiel Bürgermeister und Gemeindevertreter jeweils zehn Anteile erwerben, um die Zahlen künstlich in die Höhe zu treiben, komme im Übrigen nicht in Frage. Es würden tatsächlich mindestens 300 echte Menschen benötigt, nicht nur 300 verkaufte Anteile.
Manchmal fehlt nur ein Kreuz
Der Kommunalpolitiker und der Geschäftsmann tun ihr Möglichstes, damit Jatznick die mystische Marke in letzter Sekunde knackt. Vieles sei bisher nur an technischen Fragen gescheitert. So liegen 134 unvollständige Anträge vor, bei denen irgendwo ein Kreuz fehlt oder beim Online-Antrag ein Knopf nicht gedrückt wurde. „Diesen Leuten gehen wir sehr hinterher, nehmen mit jedem nochmal Kontakt auf“, sagt Christopher Finke. Frank Schulz bietet an, jedem, der Probleme beim Ausfüllen des Antrags hat, persönlich zu helfen.
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Dem Amtierenden Bürgermeister ist es eine Herzensangelegenheit, endlich wieder Leben in den verfallenden Dorfkonsum in der Ortsmitte zu bekommen, allein schon weil der Schandfleck saniert werden und die Erinnerungen an den Tante Emma-Laden aus der DDR erhalten bleiben würden. „Besser geht es gar nicht, besonders auch für die älteren Leute. Das wäre nicht nur ein Mini-Supermarkt, sondern auch ein Treffpunkt.“ Im Übrigen seien auch Leute von außerhalb mehr als willkommen, wenn sie das Vorhaben unterstützen möchten.
Die Anträge sind gültig, sobald das Geld auf dem Konto eingegangen ist und die Informationen vollständig ausgefüllt wurden, erklärt Enso. „Sobald 300 Teilhaber verbindlich reserviert haben, kommt Tante Enso nach Jatznick“. Die Anteile können jederzeit gekündigt und nach Genossenschaftsrecht ausgezahlt werden.