Naturschützer fordern mehr Abschüsse in Vorpommerns Wäldern
Vorpommern / Lesedauer: 4 min

Susanne Böhm
Trockenes, heißes Wüstenklima, Borkenkäfer und Waldbrände. In Mecklenburg-Vorpommerns Wäldern kommt es knüppeldicke. Die Kombination aus Wassermangel, Schädlingen und Feuer haut die stärksten Bäume um. Die Wälder sterben, befürchtet der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und schlägt Alarm. Zwar hat es in den vergangenen Tagen ein bisschen geregnet, trotzdem seien die Wälder im dritten Jahr in Folge viel zu trocken. Besonders betroffen seien Fichten und Buchen. Nun seien die Förster in der Pflicht, ihren Beitrag zur Rettung der Wälder zu leisten. „Wir müssen dem Wald die Chance zur Selbsthilfe geben“, sagt NABU-Waldexperte Stefan Adler und hat ein paar Vorschläge parat.
„Jagd muss zentralen Beitrag leisten”
So müsse die Umwandlung von Nadelwäldern in Mischwälder stärker vorangetrieben werden. Die Kronendächer sollten wie Sonnenschirme geschlossen gehalten werden. Um mehr Wasser zu speichern, müsse mehr Totholz in den Wäldern bleiben. „Abgestorbene Bäume haben wichtige Funktionen als Lebensraum, Schattenspender, Wasser- und Nährstoffspeicher und sollten teilweise im Wald belassen werden“, erklärt Stefan Adler und nimmt zugleich Rehe und Hirsche aufs Korn. „Der Umbau naturferner Wälder kann nur gelingen, wenn Baumsamen und junge Bäume nicht aufgefressen werden. Die Jagd muss einen zentralen Beitrag zum Gelingen des Waldumbaus leisten.“ Allen voran sei die Bundesregierung gefordert. Mut zum Wildwuchs sei gefragt. „Die Ziele der Bundesregierung sollten sein, mindestens fünf Prozent der Waldfläche als Naturwälder und zwei Prozent der Landfläche als Wildnisgebiete der Natur zu überlassen.“
Junge Bäume haben es schwer
Für Vorpommerns Förster ist das alles nichts Neues. Den Großteil der NABU-Ideen praktizieren sie seit Jahrzehnten. Und sie haben einen großen Vorteil: Im Gegensatz zur Mecklenburgischen Seenplatte sind Vorpommerns Bäume an Trockenheit gewöhnt. „Unsere Böden sind immer trocken und sandig. Deswegen haben wir 60 bis 70 Prozent Kiefern, die Trockenheit vertragen“, sagt Torgelows Forstamtsleiter Dr. Thomas König. „Man sollte Nadelbäume nicht verteufeln, sie sind Pionierbaumarten.“ Die älteren Bäume würden bisher ganz gut über die Runden kommen. Schwierig sei es hingegen für die jungen Gehölze, deren Wurzeln nicht an das Wasser in tieferen Bodenschichten heranreichen. „Und die Fichten haben Probleme. Zum Glück haben wir nicht so viele, das fällt nicht so auf.“ Totholz sei heutzutage auch in Vorpommerns Wäldern gern gesehen.
„Wir haben schon aus wirtschaftlichen Gründen deutlich mehr Totholz im Wald als vor 40 Jahren. Es lohnt nicht, alles bis zum letzten Zweig aufzuarbeiten. Außerdem versuchen wir, ohne Dünger auszukommen.“ Totholz werde zu Humus und sei ein natürlicher Dünger. Löcher im Kronendach seien jedoch nicht vermeidbar. „Früher hatten wir 20 bis 30 Hektar große Kahlschläge, da ist die Verdunstung natürlich groß. So etwas macht man heute nicht mehr. Aber wo ein Baum herausgenommen wird, da entsteht ein Loch, das ist nun mal so.“
Weiter westlich wird es komplizierter
Viel prekärer ist die Lage in der Feldberger Seenlandschaft. Dort gibt es vor allem Buchen, die besonders durstig sind. Rund 60 Prozent sind geschädigt. „Wir haben so viel Totholz wie noch nie im Wirtschaftswald. Manche Leute beschweren sich schon, dass der Wald so unaufgeräumt ist“, sagt Peter Panther aus dem Forstamt Lüttenhagen. „Gegen 1000 Liter fehlenden Niederschlag pro Quadratmeter kann man nichts machen.“ Das mit dem geschlossenen Kronendach sei auch nicht so leicht, wie die Naturschützer sich das vorstellen.
„Das ist schwierig, denn der Wald lichtet sich durch die Trockenheit von selbst aus. Die Blätter sind kleiner, die Belaubung deutlich schwächer.“ Peter Panther bleibt trotzdem vorsichtig optimistisch. „Noch ist nichts verloren. Wir hoffen auf Regen. Sollte noch mal so ein trockenes Jahr kommen, hat man als Förster doch schon eine Träne im Auge.“
Auch Landesforst will mehr Jagd
Besorgt wird in der Landesforstanstalt in Malchin das Wetter beobachtet. „Durch die Trockenjahre 2018 und 2019 haben sich die Schäden nennenswert erhöht“, sagt Laura Rieck. „Es kam zu enormem Wassermangel und irreversiblen Schäden.“ In der Forstwirtschaft werde seit vielen Jahren alles getan, um den Wald zu schützen. „Der Waldumbau in stabile Laub-Mischwälder ist seit mehr als 30 Jahren ein hochgehaltenes Ziel.“ Das Ganze sei jedoch eine langwierige Angelegenheit. „Da das Waldwachstum ein sehr langfristiger Prozess ist, kann eine vollständige Waldumwandlung bis zu einem Jahrhundert dauern.“ Dass, wie vom NABU vorgeschlagen, mehr gejagt werden muss und Totholz eine feine Sache ist, sieht man bei der Landesforst auch so.
„Der Wildbestand muss den Wäldern angepasst sein, sodass sich die Hauptbaumarten auch ohne Zaun selbstständig natürlich verjüngen können. Zustimmen können wir auch dem Erhalt von Totholz“, so Laura Rieck. Auf sogenannten Altholzinseln dürfe Holz ungestört verrotten. Angestrebt seien fünf Prozent Totholz in allen Landeswäldern.