Kostenexplosion
Pflegeheime erhöhen Preise drastisch
Uecker-Randow / Lesedauer: 4 min

Zoltán Szabó
Das verschlägt einer Nordkurier-Leserin erst mal die Sprache. Ihre Oma im Penkuner Seniorenheim „Abendsonne“ muss ab März mehrere hundert Euro zusätzlich im Monat für ihren Heimplatz zahlen. Das Ersparte der Oma reiche aber nicht, um die Rechnungen über Jahre zu begleichen, so die Leserin. Sie müsse wohl oder übel Sozialhilfe beantragen.
Die Inflation kann niemand ignorieren
Einrichtungsleiterin Simone Brüssow bestätigt dem Nordkurier: Der Preis für einen Heimplatz werde ab März um 419 Euro erhöht. Die Inflation sei auf zehn Prozent gestiegen, das könne niemand ignorieren. Ab dem 1. September seien alle Pflegeeinrichtungen zudem an einen Tarifvertrag gebunden. Höhere Gehälter seien notwendig, um Personal in der Pflege halten und gewinnen zu können. Diese seien im gesamten Gesundheitsbereich gestiegen. Es habe keiner etwas davon, wenn die Einrichtungen wegen Unwirtschaftlichkeit aufgeben müssten, so Simone Brüssow.
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Doch niemand müsse Angst haben, dass der Heimplatz nicht mehr bezahlbar sei, sagt sie. Das Sozialamt übernehme im Zweifel die Kosten. Derzeit seien rund 30 Prozent der Bewohner Sozialhilfeempfänger. Seit der Einführung des „einrichtungseinheitlichen Eigenanteils“ vor zwei Jahren zahle die Pflegekasse Bewohnern in Abhängigkeit ihres Aufenthalts zudem eine Art Rabatt, der zwischen fünf und 70 Prozent liege. Das habe bereits für eine Entlastung der Bewohner und ihrer Angehörigen gesorgt.
„Es werden viele in die Sozialhilfe rutschen“
Auch im Pasewalker Pflegeheim „St. Spiritus“ sind die Preise deutlich erhöht worden. Im Schnitt zahle jeder Bewohner seit Februar 350 Euro monatlich mehr für einen Heimplatz. Jüngst sei wieder mit den Pflegekassen verhandelt worden. Die Preise bei Strom, Gas und Lebensmitteln seien explodiert, sagt Einrichtungsleiterin Sylvia Splettstößer. Auch die Tariflöhne für Pflegekräfte seien gestiegen.
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Jeder Bewohner und die Angehörigen hätten einen Brief erhalten, in welchem die alten und die neuen Preise aufgeschlüsselt worden seien. Die Leute seien natürlich erst mal erschrocken, wenn sie die Ankündigung erhalten. „Doch wenn man es ihnen erklärt, verstehen sie das“, sagt Sylvia Splettstößer. Wenn die Bewohner den Betrag nicht zahlen können, empfehle sie, Sozialhilfe zu beantragen. „Es werden mit Sicherheit sehr viele in die Sozialhilfe rutschen“, befürchtet sie mit Blick auf die notwendigen Preiserhöhungen. Das werde in ganz Deutschland ein Problem werden.
Kündigungen nicht erwartet
Wie viele der derzeit 68 Bewohner im Pflegeheim „St. Spiritus“ bereits Sozialhilfe beziehen, könne sie auf Anhieb nicht sagen. Der Sozialhilfeträger sitze jedoch bei den Verhandlungen mit den Pflegekassen mit am Tisch und wisse, welche Kosten bei einem Antrag zu übernehmen seien.
Kündigungen erwartet Sylvia Splettstößer infolge der Preiserhöhungen keine. Alle anderen Einrichtungen müssten ebenso mit den Pflegekassen verhandeln und gestiegene Einkaufspreise weitergeben. Kein Pflegeheim könne sich entziehen. Alle müssten heizen und sich mit Strom und Gas versorgen. „Wir können die Bewohner nicht im Kalten sitzen lassen. Die Qualität für Pflegebedürftige muss erhalten bleiben“, sagt die Einrichtungsleiterin. Es handle sich schließlich um die Schwächsten in der Gesellschaft.
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700 Euro mehr für Heimplatz in Ueckermünde
Im Ueckermünder Pflegeheim „Haus der Vertrautheit“, das zur Volkssolidarität gehört, wird der Preis für einen Heimplatz ab März sogar um 700 Euro erhöht. Den einen oder anderen werde die Preiserhöhung vermutlich schockieren, sagt Einrichtungsleiterin Kathi Depoorter auf Nordkurier-Nachfrage, aber es werde sie genauso schockieren zu erfahren, wie hoch der Preis für ein Stück Butter geworden sei.
Die gestiegenen Preise in allen Bereichen und höhere Löhne müssten bezahlt werden. „Einige können das bezahlen, andere nicht. Dann springt das Sozialamt ein“, sagt Kathi Depoorter. Sie gehe davon aus, dass der volle Betrag durch das Sozialamt übernommen werde. Mit Kündigungen rechnet die Einrichtungsleiterin nicht. Im vergangenen Jahr sei nach einer ähnlichen Preiserhöhung nur ein Heimplatz im Eggesiner Pflegeheim „Haus der Geborgenheit“, das ebenfalls zur Volkssolidarität gehört, gekündigt worden.
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