Zweiter Weltkrieg
Schicksal nach 75 Jahren aufgeklärt
Penkun / Lesedauer: 4 min

Johanna Horak
Es ist eine besondere Verbindung, die Heide Thiessenhusen seit diesem Sommer zu dem uckermärkischen Örtchen Mescherin bei Penkun hat. Und das, obwohl die 81-Jährige rund 400 Kilometer von dem Ort trennen. Sie ist Hamburgerin. Um diese Bindung zu verstehen, muss man 75 Jahre in der Zeit zurückgehen. Denn so lange wusste Heide Thiessenhusen nicht, wo ihr Familienangehöriger Horst Thiessenhusen im Zweiten Weltkrieg gefallen ist. Auch, wo er begraben ist, war ihr nicht bekannt.
Es war 1944, als Horst Thiessenhusen im Alter von 30 Jahren im Zweiten Weltkrieg im Schloss Penkun stationiert war. Erst lange Zeit nach Kriegsende erhielt seine Familie über einen Kameraden die Nachricht, dass Horst Thiessenhusen, der als Funkersoldat tätig war, in den letzten Kriegstagen 1945 in der Nähe von Tantow gefallen sei. Durch eine Granate. Der genaue Ort blieb der Familie allerdings viele Jahre unbekannt. Recherchen bei der damaligen „Wehrmachts-Auskunfts-Stelle“ und bei der „Gräber-Online-Suche“ blieben erfolglos, erzählt Heide Thiessenhusen.
Das Buch eines Zeitzeugen bringt die lang ersehnte Aufklärung
Durch einen großen Zufall erhielt die Familie Thiessenhusen im Sommer dieses Jahres nach unglaublichen 75 Jahren dann aber doch noch Gewissheit. Das Buch „Die Schlacht um den Brückenkopf Mescherin von 1939 bis 1945“ brachte den Hinterbliebenen die lang ersehnte Aufklärung zum Tod ihres Familienangehörigen. Geschrieben hat es Autor und Zeitzeuge Günter Höppner.
Der 87-jährige Höppner kommt aus Mescherin. Damals, im Alter von 12 Jahren, erlebte er das Ende des Zweiten Weltkrieges. Gleich nach Kriegsende begann er mit den handschriftlichen Aufzeichnungen seiner Erlebnisse, die er im Sommer 2019 als Buch veröffentlichte.
In seinem Buch beschreibt Höppner unter anderem, wie er der im Schloss Penkun stationierten Infanterie-Nachrichten-Ersatzkompanie 522 half, die Verletzten ins Lazarett Damitzow bei Tantow zu transportieren. Er schildert auch, wie er dabei half, einen Toten neben der Kirche in Damitzow zu begraben. Was damals wohl niemand wissen konnte: Bei dem unbekannten Gefallenen, den Höppner da begrub, handelte es sich um Horst Thiessenhusen.
„Seine Ausführungen ließen niemanden von uns unberührt”
„Durch dieses Buch erfuhr unsere Familie endlich, wie Horst Thiessenhusen als Funkersoldat im April 1945 bei einem Transport von Funkgeräten auf einem LKW fahrend von Penkun in Richtung Tantow durch Beschuss eines russischen Gleitflugangriffs getötet wurde und wer ihn in Damitzow beerdigt hat“, sagt Heide Thiessenhusen.
Im August dieses Jahres kam es sogar zu einem Treffen zwischen der Familie Thiessenhusen und Buchautor Höppner in Mescherin. „Günter Höppner war als Zeitzeuge ein wunderbarer Erzähler, der seine Erlebnisse anschaulich und lebhaft zu schildern vermochte. Seine Ausführungen ließen niemanden von uns unberührt“, erinnert sich die 81-Jährige an das Treffen im Sommer. Die Familie sei sehr dankbar für die Aufklärung des Schicksals ihres Familienangehörigen.
Bei der Begegnung im Sommer zeigte Günter Höppner der hinterbliebenen Familie auch den Ort auf dem alten Friedhof von Damitzow, wo er als 12-Jähriger half, die Begräbnisstelle für den unbekannten Gefallenen auszuheben. Und der Autor wusste auch, dass, nachdem der letzte Friedhofsgärtner im Ort verstorben war und sich keine Hinterbliebenen mehr gemeldet hatten, der alte Friedhof hinter der Kirche mit den unbekannten Gräbern vor etwa zehn Jahren eingeebnet und geschlossen wurde.
Günter Höppner hat auf seinem Grundstück ein Ehrenmal errichtet
Im Jahr 2015 errichtete Günter Höppner auf seinem Grundstück in Mescherin direkt am Oder-Neiße-Radweg privat ein Ehrenmal. Es ist den vielen Gefallenen gewidmet, den deutschen und russischen Soldaten sowie 16 und 17- jährigen Schülern aus Flandern in Belgien, die alle ihr Leben im Kampf um den „Mescheriner Brückenkopf“ lassen mussten.
Heide Thiessenhusen betont, dass Kriege nichts als Elend und fürchterliches Leid bringen würden. „Wir trauern um und mit den Opfern von Kriegen und wünschen uns endlich Frieden für die Welt“, sagt die 81-Jährige Hamburgerin.