Bio-Produkte

So kompliziert ist der Weg zur Bio-Landwirtschaft

Jatznick / Lesedauer: 4 min

Bio-Produkte werden zunehmend nachgefragt. Und auch die Politik fordert einen stärkeren Anteil der Öko-Landwirtschaft. Die Jatznicker Agrargenossenschaft wagt jetzt diesen Schritt - trotz Hürden.
Veröffentlicht:24.07.2021, 19:35

Von:
  • Fred Lucius
Artikel teilen:

Frank Westphal und seine Mitarbeiter wissen, dass sie einen langen Atem brauchen. Etwa ein Viertel des Weges haben sie seit Jahresbeginn zurückgelegt. Ende 2022 will sich die Agrargenossenschaft Jatznick mit dem Bio-Siegel schmücken. Der Betrieb stellt auf Öko-Produktion um. „Diese zwei Jahre der Umstellung sind ein harter Brocken. Vor allem auch, weil wir in dieser Zeit ökologisch wirtschaften, aber noch konventionell bezahlt werden“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft und macht das am Milchpreis deutlich. Die 540 Milchkühe des Betriebes würden jetzt Bio-Futter bekommen.

Durch Bio-Futter sinkt Milchleistung

Für die Milch erhalte das Unternehmen aber von der Molkerei wie bisher den konventionellen Preis von etwas über 30 Cent je Kilogramm statt der 50 Cent für die Biomilch. Auf der anderen Seite sinke durch das neue Futter die Milchleistung der Tiere. Die bisherige durchschnittliche Milchleistung von 10 500 Kilogramm je Kuh sei nicht mehr zu erreichen. Dies finanziell durchzuhalten, sei eine Herausforderung. Wer als Agrarbetrieb schwächele, brauche diese Umstellung der Produktion nicht in Angriff zu nehmen, ist Frank Westphal überzeugt und fügt hinzu, dass man eigentlich schon früher diesen Schritt hätte gehen sollen.

Mehr lesen: Vize-Kanzler Scholz besucht das Stettiner Haff

Die Nachfrage nach Bio-Produkten nehme von Jahr zu Jahr zu. Auf der anderen Seite gebe es in der Region sehr wenige Produzenten von Bio-Milch. Während der „normale“ Milchpreis seit Jahren zum Teil stark schwanke, sei der für Bio-Milch relativ stabil. „Wir haben hier bei Jatznick viele leichte Standorte mit 20 bis 25 Bodenpunkten. Da bietet sich die Veredlung an. Wir haben uns daher entschlossen, komplett umzustellen, also die Milchproduktion ebenso wie den Ackerbau“, meint der Landwirt.

Rinder entscheiden, ob sie rein oder raus wollen

Einen Teil der Auflagen, die damit verbunden sind, erfüllt der Betrieb bereits, insbesondere was die Auflagen für das Tierwohl anbelangt, erklärt der Vorstandsvorsitzende. So können seit Mai die Milchkühe ins Freie. Für den geforderten Weidegang hat die Genossenschaft rund 50 Hektar fest eingezäunt. Zwischen vier Koppeln wechseln die Milchkühe bei ihrem Außen-Aufenthalt. Die Kälber müssen in den ersten Tagen zu zweit in zwei offenen Iglus gehalten werden, damit sie Kontakt mit Artgenossen haben. Die älteren Kälber sollen ebenfalls ins Freie gehen dürfen. Sie bekommen, anders als früher, 90 Tage lang Frischmilch, die über eigens dafür angeschaffte Automaten verfüttert wird. „Der Stall, den wir 2013 in Belling in Betrieb genommen haben, erfüllt schon die Auflagen und ist tierartgerecht. Wegen des Platzes müssen wir keine Tiere reduzieren“, meint Frank Westphal.

Mehr lesen: Öko-Landbau und bisschen DDR in Rothenklempenow

Die Rinder würden selbst entscheiden, ob sie ins Freie gehen oder bei hohen Temperaturen im Stall bleiben. Selbst nachts würden Milchkühe draußen sein. Im Ackerbau ernte der Betrieb 2021 erstmals Öko-Mais. Der im vergangenen Jahr angebaute Roggen zähle noch als „Umstellungsware“. Für die Pflanzenproduktion bedeute die Umstellung den vollständigen Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und chemischen Dünger. „Gerade im Ackerbau heißt es für uns, auch dazu zu lernen. So ist das Unkraut im Mais ein Problem“, erklärt der Jatznicker Landwirt. Mit Investitionen in Technik, wie spezielle Hack-Maschinen, könne man dies in den Griff bekommen. Vorgesehen ist nach den Worten des Vorstandsvorsitzenden der Abriss von alten Ställen in Belling sowie der Neubau eines Kälberstalls und einer Lagerhalle für Futtermittel und Saatgut. Vermarktet werden sollen Öko-Produkte, wie die Milch, später über den Anbauer-Verband Bioland, der auch noch eigene Auflagen hat. „Wir haben ein schönes und erstrebenswertes Ziel. Bis wir aber dort sind, dauert es noch“, meint Frank Westphal.