Ost-Erinnerungen
So war es einst im DDR-Ferienlager in Plöwen
Plöwen / Lesedauer: 4 min

Susanne Böhm
Das Ferienlager in Plöwen bleibt unter Regie des Landkreises Vorpommern-Greifswald erhalten. Über diese Nachricht freut sich ein Mann ganz besonders: Peter Hübner aus Hohen Neuendorf bei Berlin.
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Hübner war Lagerleiter am Kutzowsee, von 1977 bis 1990 – 13 Jahre, die zu den schönsten seines Berufslebens gehörten, wie er sagt. An zwei von drei Durchgängen im Jahr war das DDR-Objekt sein Arbeitsplatz und sein Sommer-Zuhause. Wenn der 80-Jährige an diese Zeit zurückdenkt, fallen ihm viele schöne Erlebnisse ein, wenngleich das Lagerleben mit rund 270 Kindern, 18 Erziehern, zwei Krankenschwestern, zwei Rettungsschwimmern und weiterem Personal in zumeist sengender Sommerhitze nicht immer ganz leicht war. Rund um die Uhr war er für alles verantwortlich. „Immer hieß es: Papa wird’s schon richten.“
Haarsträubender FDJ-Erziehungsplan
Ob Neptunfest, Disko, Grillabende oder Nachtwanderungen – alles musste ohne Blessuren über die Bühne gehen. Acht- bis 14-Jährige aus allen Teilen der DDR mussten nicht nur beschäftigt und gesättigt, sondern bisweilen auch getröstet oder ein bisschen erzogen werden.
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„Als ich den Rahmen- und Erziehungsplan der FDJ sah, sträubten sich mir die Haare“, denkt der gelernte Berufskraftfahrer an seine ersten Tage im Lager zurück. Das Ganze habe ihn eher an militärische Ausbildung als an Schulferien erinnert. Luftgewehr sollten die Kinder schießen – er habe dann spielerisches Zielwerfen daraus gemacht. Er selbst habe Kontakt zu „verdienten Parteivertretern“ aufnehmen sollen. „Ich habe nie welche gefunden“, sagt Hübner heute. Statt vorgeschriebener kilometerlanger Märsche habe er Spaziergänge mit Naturerlebnis veranstaltet. Derart nach seinen Vorstellungen modifiziert, sei das Erziehungssystem der DDR okay gewesen.
Gut gestellt mit Kaufhallen-Verkäuferin
Bei der Materialbeschaffung war Improvisationstalent gefragt. „Es gab keinen Grill. Wir haben einen Fußabtreter und Steine genommen.“ Ganz wichtig sei es gewesen, gute Kontakte zu den Verkäuferinnen in der Kaufhalle in Löcknitz zu pflegen. Ob Jagdwurst zum Grillen oder Zitronenaroma zum Backen – vieles habe er in dem Konsum unter der Hand erhalten, wenn er den Damen im Gegenzug Torte vom befreundeten Bäcker in Bismark spendierte.
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Auch mit dem Förster habe er sich gut gestellt. Der habe ihm sogar mal ein Wildschwein geschenkt. „Das wurde fast einen Tag lang am Spieß überm Feuer gedreht. Für die Kinder war das toll, die meisten kannten so etwas gar nicht.“
Eine Dusche für 270 Kinder
Die Ausstattung des Lagers sei „grenzwertig“ gewesen. „Für jedes Kind gab es genau ein Bett, einen Hocker und einen Spind.“ Eine einzige Dusche habe den Kindern zur Verfügung gestanden. In Gruppen seien sie „durchgeschleust“ worden.
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Fragwürdig seien auch die Brandschutzbedingungen gewesen. „In den Bungalows waren überall Kunststoffplatten verbaut. Die explodieren regelrecht!“ Um ein Mindestmaß an Hygiene aufrechtzuerhalten, habe er Wettbewerbe um das sauberste Zimmer veranstaltet.
Kein Kind musste bezahlen
Viele DDR-Familien habe ihre Kinder nach Plöwen geschickt. Bezahlen mussten sie dafür nichts. Jeweils 12.000 Mark habe er vom Staat zur Finanzierung der 18-tägigen Durchgänge bekommen, das habe ausgereicht.
Durch die Kinder habe er Einblicke in tausende Familien erhalten, erinnert sich Peter Hübner. Manche Kinder weinten vor Heimweh, andere wollten nie wieder nach Hause. „Ein Junge hat sich zum Abschied an mein Bein geklammert und gefragt, ob ich ihn mit zu mir nehme. Das war schlimm.“ Um Heimweh entgegenzuwirken, „haben wir den betreffenden Betrieb angerufen und um eine Postkarte von den Eltern gebeten. Meistens hat das funktioniert. Aber es gab auch Fälle, wo wir den LPG-Vorsitzenden gebeten haben, eine Karte zu schreiben. Wir hatten erfahren, dass die Eltern nicht schreiben konnten.“
Seit 1991 nicht mehr dort gewesen
Unzählige Erinnerungen hat Hübner an seine Zeit in Plöwen. Einen Karton voller Fotos hat er gesammelt. Sogar seine spätere Ehefrau Bärbel lernte er im Lager kennen. Die Pasewalkerin hatte als Erzieherin dort gearbeitet. Mit der DDR endete auch seine Zeit als Lagerleiter. „Neuer Betreiber, neue Leiterin, plötzlich war ich überflüssig.“ 1991 sei er noch mal dort gewesen. Seither nicht mehr.
Seit einem halben Jahrhundert ist die Jugendbegegnungsstätte bei Plöwen mittlerweile eine Freizeiteinrichtung für Kinder und Jugendliche. Nach der Insolvenz des letzten Betreibers im Jahr 2020 stand die Existenz der Einrichtung jedoch auf der Kippe. Der Suche der Kreisverwaltung nach einem neuen Betreiber mit stimmigem Konzept war kein Erfolg beschieden. Daher entschied sich der Landkreis zu Jahresbeginn, das Lager selbst zu betreiben. Damit ist die Zukunft der Jugendbegegnungsstätte Plöwen gesichert.