Stolperte der Fraunhofer-Chef über eine Pflug-Fabrik aus Pasewalk?
Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Es ist schon eine Weile her. Und doch könnte eine Firmen-Ansiedlung in Pasewalk, die im Februar 2021 öffentlich gemacht wurde, eine Rolle beim Rücktritt des Chefs von Europas größter Organisation für angewandte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen spielen. In der vergangenen Woche hat Reimund Neugebauer, aktueller Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, intern angekündigt, seine Tätigkeit am 30. September 2023 niederzulegen – ein Jahr früher als geplant. Das berichteten verschiedene Medien.
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Problematisch sei derzeit vor allem ein Videoauftritt von Neugebauer. Der 69 Jahre alte Maschinenbau-Ingenieur hatte in einem dreiminütigen Imagefilm, der im Februar 2021 publiziert wurde, ein neues Produkt der österreichischen Firma Huberpflug ausgelobt. Es geht dabei um eine neuartige Pflugmaschine, die mehrere Arbeitsschritte zusammenfassen und somit Energie und Abnutzung vermindern soll.
Wissenschaft und private Interessen vermischt
Dieser „Huberpflug” – benannt nach dem Erfinder Franz-Ferdinand Huber – wird von der Firma Huber Landtechnik derzeit in Pasewalk entwickelt und gebaut. Reimund Neugebauer war in einem Imagefilm als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft vorgestellt worden. Was darin allerdings keine Erwähnung fand: Neugebauer hatte kurz vor Veröffentlichung des Werbevideos Anteile an der Firma erworben.
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Nach Recherchen des „Tagesspiegels” wurde Neugebauer dabei also als Fraunhofer-Präsident präsentiert – nicht aber als Shareholder, der kurz zuvor mit seiner Investmentfirma „Inno Share Consult” Anteile an der Firma erworben hatte. Neugebauer bestätigt zwar, zwischen Dezember 2020 und Juli 2021 an der „Huber Soil Solution GmbH“ beteiligt gewesen zu sein, der Mutterfirma von Huberpflug. Laut dem Bericht habe Neugebauer aber angegeben, von der Veröffentlichung des Videos nichts gewusst zu haben, seine Firma soll davon auch nicht profitiert haben. Das fragliche Video ist inzwischen gelöscht und auf Youtube nicht mehr abrufbar.
Fraunhofer und Huberpflug vereint
Auch MV-Forschungsministerin Bettina Martin und Vorpommern-Staatssekretär Patrick Dahlemann (beide SPD) hatten sich seinerzeit für die Ansiedlung von Huberpflug in Pasewalk stark gemacht. Neben Topregal und Birkenstock war es die dritte größere Firmenansiedlung in der Stadt in kurzer Zeit gewesen.
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Nach Angaben von Bettina Martin ging die Ansiedlung auf die Gründung des neuen Fraunhofer-Zentrums für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming in Rostock zurück. Die Fraunhofer-Gesellschaft als Einrichtung für angewandte Forschung suche den Schulterschluss zur Wirtschaft und habe „Huberpflug im Gepäck“ gehabt sowie den Standort Pasewalk ins Spiel gebracht, sagte Bettina Martin damals.
Bundesrechnungshof prüft
Für den Chef der Fraunhofer-Gesellschaft könnte das fragliche Auftreten in dem Imagefilm aber das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Reimund Neugebauer wird bereits seit mehreren Jahren vorgeworfen, dass er für Reisen und Unterkünfte deutlich höhere Kosten produziert hat, als es staatliche Übernachtungspauschalen gemäß des Bundesreisekostengesetzes vorsehen. Erst jüngst warfen „Wirtschaftswoche” und „Zeit” Neugebauer vor, dass er private und dienstliche Angelegenheiten vermische.
Derzeit überprüfen das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie der Bundesrechnungshof die Fraunhofer-Gesellschaft erneut, die Berichte werden demnächst erwartet. Die Fraunhofer-Gesellschaft ist Europas größte Organisation für angewandte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen. Neugebauer steht mehr als 80 Forschungseinrichtungen und mehr als 30.000 Mitarbeitern in Deutschland vor
Kritik am Fraunhofer-Chef
Bereits 2016 ermittelte der Bundesrechnungshof wegen des fragwürdigen Umgangs mit Steuermitteln – im Zusammenhang mit Neugebauer und immer wieder auch mit seiner Frau. Laut Bundesforschungsministerium sei es aber auch jüngst wieder zu „Besserstellungen von Reisenden gekommen”. Details der Prüfung hält das Ministerium aber noch unter Verschluss. Das Ministerium äußerte sich bislang nicht zu Neugebauers Darstellung eines Rückzugs, der bislang durch die Fraunhofer-Gesellschaft offiziell auch noch nicht verkündet wurde.
Seit über einem Jahrzehnt stehen Neugebauer und weitere Vorstandsmitglieder der Fraunhofer-Gesellschaft laut Medienberichten in der Kritik. Ihm wurde bei der Neuwahl des Rektors an der Technischen Universität Chemnitz Befangenheit vorgeworfen. Als Vorsitzender des Hochschulrats soll Neugebauer versucht haben, einen ihm und der Fraunhofer-Gesellschaft gewogenen Kandidaten auf dem Posten zu platzieren.
Huberpflug-Webseite offline
„Der Agrarsektor sieht sich aufgrund der wachsenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei begrenzten Landflächen und fossilen Ressourcen immer größeren Herausforderungen gegenüber," sagte Reimund Neugebauer noch im Juni 2022 anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Fraunhofer-Forschung in Mecklenburg-Vorpommern. Hierzu leiste die Fraunhofer-Gesellschaft mit den Forschungsfeldern Biogene Wertschöpfung und Smart Farming einen wesentlichen Beitrag, so Neugebauer weiter.
Auch über den „Huberpflug” hat die Fraunhofer-Gesellschaft bis vor Kurzem noch berichtet. So seien vom Institut für Großstrukturen in der Produktionstechnik „in den Regionen um Teterow und Pasewalk Feldtests organisiert worden, in deren Fokus die Handhabung und die Praxistauglichkeit der zur Verfügung gestellten Pflugvorrichtungen stand”. Die entsprechende Webseite war bis zum Juni 2022 noch abrufbar – mittlerweile ist sie allerdings offenbar vom Netz genommen worden.