Gerichtsbericht
Waffen bei mutmaßlichem Schleuser in der Zelle entdeckt
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Thomas Beigang
Die Solidarität der Angeklagten ist längst zerbröselt, wenn es unter den vier Männern überhaupt je so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben hat. Am Tag zwei des Prozesses in Neubrandenburg wegen des bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern haben sich die Tatverdächtigen gegenseitig beschuldigt.
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Von Schleusungen nichts gewusst?
Einer der Männer, der am ersten Prozesstag noch geschwiegen hat, erzählte, er habe angenommen, nur einige wenige Menschen auf deren Reise nach Deutschland zu begleiten. Von Schleusungen habe er nichts gewusst, an den Planungen sei er nicht beteiligt gewesen. Das reichte einem anderen, dem mutmaßlichen Anführer. „Bei allem Respekt” wandte der sich an den Vorsitzenden Richter Gerald Fleckenstein, „aber er hat gelogen”.
1000 Kilometer auf einen Viertel Quadratmeter
Die vier Beschuldigten im Alter zwischen 25 und 35 Jahren sollen im Oktober 2021 insgesamt 17 Migranten über fast 1000 Kilometer im engen Laderaum eines Transporters von der polnisch-belarussischen Grenze durch Polen nach Deutschland gebracht haben. Jeder Flüchtling – die Frauen und Männer kamen aus Syrien und Ägypten – musste sich dabei mit nur rund einem Viertel Quadratmeter Platz begnügen.
Offenbar nicht die einzige Aktion, drei der vier Männer sind möglicherweise noch an anderen Schleusungen seit Ende September 2021 beteiligt gewesen. Das hat die Auswertung der Handys der Angeklagten ergeben. Ein Polizeikommissar, der die Funktelefone genau unter die Lupe genommen hatte, machte auch Angaben zu entdeckten Videos von verschiedenen Schleusungen.
Zur Waffe umgebaute Gabel
Am Rande der Verhandlung, die aus Platzgründen nicht im zuständigen Pasewalker Amtsgericht, sondern im Landgericht Neubrandenburg über die Bühne geht, wurde am Freitag noch anderes berichtet. So seien in der Zelle des Untersuchungshäftlings, der die Teilnahme an der Tat so hartnäckig bestritten hat, eine zur Waffe umgebaute Gabel und ein extra geschliffenes Messer entdeckt worden. Untersuchungen laufen, ob möglicherweise eine Gefangenenmeuterei mit Geiselnahmen vorbereitet werden sollte.
Ein anderer Angeklagter – alle vier stammen aus Tunesien – wurde an einem breiten Handschellen-Gürtel in den Verhandlungssaal geführt. Bei ihm, so erfuhr der Nordkurier aus zuverlässiger Quelle, sollen zwei Rasierklingen „auf Zelle” gefunden worden sein.
Urteile in anderen Fällen
Die Verhandlung gegen die vier Angeklagten ist bereits der dritte Prozess gegen Schleuser, die im Jahr 2021 Migranten aus Belarus nach Deutschland gebracht haben sollen. Im Februar wurde, ebenfalls am Amtsgericht in Pasewalk, ein polnisches Pärchen zu drei beziehungsweise zwei Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
In einem zweiten Prozess wurde ein 34-jähriger Taxifahrer aus Stettin zu drei Jahren und zwei Monaten Freiheitsstrafe bestraft. Alle Urteile sind noch nicht rechtskräftig, die Verurteilten haben Rechtsmittel gegen die Entscheidungen eingelegt.
Die Verhandlung wird am 2. Mai fortgesetzt.