Anonymer Brief
Weitere Mobbing-Vorwürfe bei der Volkssolidarität
Pasewalk / Lesedauer: 4 min

Zoltán Szabó
Noch keine drei Wochen ist es her, dass ein anonymer Brief bei der Volkssolidarität Uecker-Randow für viel Unruhe gesorgt hat. Darin ging es um Kündigungen, die wegen des Verhaltens der Geschäftsführung erfolgt seien. Ein Mitarbeiter, der anonym bleiben wollte, sprach sogar von Mobbing. Die Geschäftsführerin des regionalen Wohlfahrtvereins, Heike Nitzke, und der Vorstandsvorsitzende, Staatskanzleichef Patrick Dahlemann (SPD), wiesen alle Vorwürfe zurück. Dahlemann sprach lediglich von „vereinzelten Beschwerden“, die ihm in diesem Zusammenhang bekannt seien.
Seit Bekanntwerden der Vorwürfe haben sich jedoch weitere Mitarbeiter der Volkssolidarität beim Nordkurier gemeldet und die Anschuldigungen in Richtung der Geschäftsführung bestätigt. „Sie haben damit ins Schwarze getroffen“, sagte eine ehemalige Mitarbeiterin, die anonym bleiben will. Die Frau sprach von teils massivem Mobbing, das vor allem von zwei Mitarbeitern im Bereich Finanzen ausgehe. Diese hätten Kollegen mit abfälligen Spitznamen bedacht und seien hinter deren Rücken über sie hergezogen. Die Mitarbeiterin habe deshalb bei der Volkssolidarität gekündigt.
„Beschwerden stapeln sich seit Jahren“
Eine aktuelle Mitarbeiterin, die ebenfalls anonym bleiben will, sprach ebenfalls von Zuständen, die für viele Mitarbeiter nicht mehr auszuhalten gewesen seien und in der Kündigung endeten. Besagte zwei Mitarbeiter würden „mit wahrer Freude“ über andere lästern, und zwar bei offener Tür. Das Mobbing gehe gar so weit, dass Mitarbeiter das Büro der beiden nur zu bestimmten Kassenzeiten aufsuchen und dafür einen Termin vereinbaren müssten. Doch nicht nur die beiden Genannten würden lästern, auch Geschäftsführerin Heike Nitzke und der stellvertretende Geschäftsführer Michael Schulz würden sich daran beteiligen und über Mitarbeiter lustig machen.
„Es wird nicht besser und ist mit Herrn Schulz noch schlimmer geworden“, sagte die Mitarbeiterin. Dieser habe zudem kein Rückgrat, wenn es darum gehe, die eigenen Mitarbeiter zu verteidigen. Er sitze jedes Problem stets nur aus und rede Geschäftsführerin Heike Nitzke nach dem Mund, so der Vorwurf.
„Dahlemann hat dreist gelogen“
Doch am schlimmsten sei, dass der Vorstandsvorsitzende Patrick Dahlemann (SPD), der auch Staatskanzlei–Chef unter Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ist, die Vorwürfe abstreite. „Die Beschwerden über die Geschäftsführung und die Finanzer stapeln sich seit Jahren“, sagte sie: „Dahlemann hat dreist gelogen“. Auch das Torgelower SPD–Büro von Dahlemann wisse von den zahlreichen Beschwerden der Mitarbeiter, da diese dort eingehen würden. Sie sei sehr enttäuscht von Dahlemanns Reaktion und hätte sich gewünscht, er würde die Vorwürfe ernsthaft prüfen. Sie könne absolut verstehen, wenn Mitarbeiter anonyme Briefe schreiben, denn ihnen würde das Leben von der Geschäftsführung nach einer Beschwerde anschließend „unerträglich gemacht“.
Viele der Kandidaten, die sich für die Betriebsratswahl aufstellen lassen wollten, hätten zudem vorzeitig gekündigt, weil die Geschäftsführung anschließend den Druck auf sie erhöht und sie aus dem Unternehmen geekelt habe. So hätten die betroffenen Mitarbeiter plötzlich keinen Termin mehr bei Geschäftsführerin Heike Nitzke erhalten, um die erforderlichen Absprachen zu treffen, sagte die Mitarbeiterin, die angab, viele weitere Kollegen zu kennen, die ebenfalls Kritik üben.
Mitarbeiterin widerspricht Darstellung
Eine Mitarbeiterin, die sich an den Nordkurier gewandt hat und nach eigener Aussage in leitender Position im direkten Umfeld von Geschäftsführerin Nitzke arbeitet, widersprach den Vorwürfen vollständig. Sie könne keinen einzigen Kritikpunkt gegen die Geschäftsführung oder die Finanzer nachvollziehen. Es gebe weder Mobbing noch stimme sonst ein Vorwurf.
Es handle sich bei den Kritikern vermutlich um Mitarbeiter, „die bereits viele Fehler begangen haben und sich nach Kritik durch die Geschäftsführung in ihrem Stolz gekränkt fühlen“, vermutete sie. Die meisten der 600 Mitarbeiter der Volkssolidarität seien zufrieden. „Wir, die zufrieden sind, wenden uns nicht an die Presse“, sagte sie. Es handle sich bei den Kündigungen zudem um eine normale Fluktuation, die in der Branche üblich sei. Die Identität der Mitarbeiterin konnte nicht geprüft werden, da sie keinen Namen nennen wollte.
Dahlemann weist Kritik von sich
Patrick Dahlemann (SPD) äußerte sich auf Nachfrage nicht zum Vorwurf der Lüge und des Mobbings bei der Volkssolidarität. Auch auf den Hinweis der Mitarbeiterin, dass sich die Beschwerden bei ihm seit Jahren stapeln würden, reagierte er nicht. Er weise die „anonymisierte Pauschalkritik“ an Geschäftsführung und Bereichsleitung Finanzen weiter zurück. Die am 9. Mai erfolgte Wahl des Betriebsrats sei „schon lange unser persönlicher Wunsch“ gewesen.
Eine Kündigungswelle sehe er nach wie vor nicht. „Eine Fluktuation in Pflege– und Gesundheitsberufen ist in der gesamten Branche nichts Ungewöhnliches. Unsere Abgänge liegen unterhalb dem Branchenschnitt“, sagte Dahlemann.