Tote Leonie aus Torgelow
Welche Folgen hat die Flucht von David H.?
Pasewalk / Lesedauer: 3 min

Andreas Becker
Wer in den Tagen nach der Flucht von David H., dem mutmaßlichen Mörder der kleinen Leonie, mit Lorenz Caffier sprach, hörte den Ärger des Innenministers bereits an seiner Stimme. Für den CDU-Politiker begann das Jahr denkbar schlecht – dass ein dringend Tatverdächtiger im Zuge einer Vernehmung einfach so aus dem Polizeihauptrevier Pasewalk davon laufen konnte, verstimmte den für die Polizei verantwortlichen Caffier hörbar.
Der Innenminister forderte Mitte Januar in bester Law-and-order-Manier Konsequenzen – ließ sich parallel vom für das Revier in Pasewalk zuständigen Polizeipräsidium Neubrandenburg einen detaillierten Bericht ins Innenministerium nach Schwerin schicken. Heute, knapp sechs Monate später, hat die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg ihren Job gemacht und eine Mordanklage gegen Leonies mutmaßlichen Mörder verfasst. Und Caffier? Hat er sich in der Zwischenzeit ein Bild von den Örtlichkeiten im Pasewalker Revier gemacht, um gegebenenfalls künftige Fluchten zu verhindern?
„Der Innenminister hat sich von Anfang an sehr intensiv mit den Vorgängen befasst und berichten lassen. Ein Vor-Ort-Termin im Polizeihauptrevier Pasewalk ist Ende Juli/Anfang August avisiert”, heißt es von Caffiers Pressesprecher. Und was ist mit „den Fehlern und Versäumnissen aller in dem Fall beteiligten Behörden und Institutionen”, die Caffier unmittelbar nach der Flucht angemahnt und „zwingend gemeinsam nachbereiten“ wollte?
Umbauten am Polizeirevier
Die Antwort aus Caffiers Haus klingt in diesen heißen Sommertagen abgekühlt: „Der Sachverhalt wurde im Rahmen von Schulungsmaßnahmen innerhalb der Landespolizei umfassend aufgearbeitet. Im Ergebnis der Prüfung entsprechender disziplinarrechtlicher Möglichkeiten wurden keine personalrechtlichen Maßnahmen ergriffen.” Gleichwohl seien sogenannte Beratungs-und Förderungsgespräche geführt worden. Dabei seien genauestens die Ursachen analysiert und ausgewertet worden, die zu der Flucht geführt hätten.
Keine Spur mehr von Caffiers verbalem Kampfmodus aus den kalten Januartagen – kein Polizist wird Konsequenzen tragen müssen. Einfach weiter so? Nicht ganz: „Der Betrieb für Bau- und Liegenschaften als Eigentümer des Polizeihauptreviers Pasewalk wurde beauftragt, den Ein-und Ausgangsbereich hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen vor unberechtigtem Zu- beziehungsweise Ausgang zu verbessern. Ein Code gesichertes Schloss soll installiert werden”, kündigte das Innenministerium an. Und: „Darüber hinaus soll in der Liegenschaft ein gesondertes Vernehmungszimmer hergerichtet werden, aus dem durch zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen an den Türen sowie den Fenstern eine Flucht weitgehend verhindert werden soll.”
Mangelnde Fitness der Polizei
Der konkrete Fall und die Ergebnisse der Überprüfungen würden zum Anlass genommen, entsprechende Hinweise und Vorgaben im polizeilichen Baufachhandbuch aufzunehmen, um zukünftig solche Vorkommnisse weitgehend ausschließen zu können, heißt es von Caffiers Mitarbeitern. Zusätzlich habe die Polizeiinspektion in Anklam eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die insgesamt die Sicherheitsaspekte aller Liegenschaften im eigenen Zuständigkeitsbereich überprüfe. Die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe sollen Caffier bei dessen angekündigtem Besuch im Pasewalker Revier direkt berichten.
Vielleicht spricht der Minister bei diesem Treffen auch die offensichtlichen körperlichen Defizite von Teilen der Polizeitruppe an. Die mangelnde Fitness war unmittelbar nach der Flucht des Kindermörders ebenfalls thematisiert worden. Eine Sprecherin des Polizeipräsidiums hatte seinerzeit formuliert: „Der war verdammt schnell“ – und hatte damit zu erklären versucht, warum der Lebensgefährte der Mutter der getöteten Leonie im Anschluss an die Vernehmung in Pasewalk den Beamten abhauen konnte. David H. war einfach schneller, nach 300 Metern ging den Ordnungshütern am Abend des 14. Januars die Puste aus, die Spur des mutmaßlichen Kindermörders verlor sich in der Dunkelheit. Erst nach einer mehrtägigen Suche ging er der Polizei wieder ins Netz – seitdem sitzt er in U-Haft und steht demnächst vor dem Landgericht Neubrandenburg.