Tierschutz
Wölfe töten oder nicht – so argumentieren Jäger und Naturschützer
Ferdinandshof / Lesedauer: 4 min

Nordkurier
Der Wolf spaltet die Gemüter. Nicht nur in abendlichen Märchenstunden, auch in der aktuellen Politik. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will nun Abschüsse von Wölfen erleichtern. Gerade Tierhalter, die eine wölfische Tragödie erlebt haben, bräuchten schnelle und unbürokratische Hilfe, so Lemke. Ihr Kollege in Schwerin, Umweltminister Till Backhaus (SPD), hält bislang weiterhin an der strikten Schutzpolitik fest.
Jäger fordern seit Jahren ein Umdenken beim Wolf
Ein leichtes Aufatmen geht angesichts der Berliner Absichtserklärungen bereits durch die Reihen der Jäger im Nordosten, die schon seit Jahren ein Überdenken des aktuellen Umgangs mit dem Wolf vorschlagen. „Wir haben uns dabei aber nicht in die erste Reihe gestellt“, sagt Volker Böhning, der 12 Jahre im Bundesvorstand und 20 Jahre im Landesvorstand des Jagdverbandes den Ton angab. Die Jäger halten sich an die Vorgaben des Gesetzgebers, auf den vor allem die Tierhalter Einfluss nehmen sollten. „Auch wenn wir als Jäger bereits vor einem Jahrzehnt vorgerechnet haben, wie sich die Population im Land entwickeln wird“, fügt Böhning hinzu.
Es sei eine Tatsache, dass der Wolf eine Vermehrungsrate von 30 Prozent habe. Die Folgen waren sicherlich abzusehen, betont der 75-Jährige. Was wäre aus Sicht der Jäger wünschenswert? „Dass wir klare Vorgaben bekommen. Ich könnte mir eine bestimmte Anzahl an Wölfen vorstellen, die wir im Land haben wollen“, sagt Böhning, ohne sich auf genaue Zahlen festzulegen. Jeder Bestand, der darüber geht, müsse dann geschossen werden, so wie es auch beim übrigen Wild geregelt sei.

Naturschützer berufen sich auf aktuelles EU-Recht zum Wolf
Das derzeit angewandte Chaos nach einem Riss, zum Beispiel in Schafherden, sei unbefriedigend für alle Beteiligten, betont er. „Wenn wir als Jäger die Tiere erlegen sollen, die dafür verantwortlich sind, wie soll das funktionieren“, fragt er. Denn auch ein „Meisterjäger“ könne den „bösen“ Wolf in seinem Rudel nicht erkennen. Davon abgesehen sei eine Wolfsjagd an sich schon eine Herausforderung, da die Tiere äußerst scheu sind. „Falls sich die Vorschriften wirklich ändern, sollten wir uns Expertise aus Ländern wie Serbien oder Ähnlichen holen, wo der Abschuss schon seit langem geregelt und praktiziert wird“, schlägt Böhning vor.
Die Naturschützer der Greifswalder Gruppe des Naturschutzbundes (NABU) wundern sich über den Vorschlag der Bundesministerin. „Denn aktuell würde ein Auflockern des Schutzes gegen EU-Recht verstoßen“, sagt Frederick Qasem (26). Der Grund für die Kritik sei, dass die Gefährdungslage des Wolfs weiterhin hoch eingestuft ist. Laut roter Liste sei das Tier immer noch vom Aussterben bedroht.
Wolfs-Debatte zu emotional
Das NABU spricht sich klar gegen eine reguläre Bestandsreduzierung aus, toleriert aber die Entnahme einzelner „Problemwölfe“, wie Qasem ausführt. Das Thema werde in der Öffentlichkeit „leider“ mit vielen Emotionen geführt. „Wie viele Märchen stellen den Wolf als böses Tier dar“, fragt er rhetorisch. Der Gesetzgeber sollte sich aber auf Fakten und geltendes Recht konzentrieren und pragmatisch handeln.
Häufig werde übersehen, wie gut der Wolf unseren Wäldern tut. Er dezimiert die Pflanzenfresser, die durch den Fraß der jungen Baumtriebe eine natürliche Erneuerung des Waldes stören. „Der Mensch glaubt, dass er das Leben im Wald genauso regeln muss wie alles andere. Doch die Natur kommt auch gut ohne ihn aus“, findet der Naturschützer, dessen Spezialgebiet das Tierschutzrecht ist.
Knapp die Hälfte des Nordostens vom Wolf besiedelt
Die Bundesumweltministerin will Ende September konkrete Vorschläge zu Gesetzesänderungen vorlegen. „Mein Ziel ist klar: Abschüsse von Wölfen nach Rissen müssen schneller und unbürokratischer möglich sein“, fasst Lemke zusammen. Seit 2006 kommen Wölfe in Mecklenburg-Vorpommern wieder dauerhaft vor. Vor einem Jahr galt knapp die Hälfte des Nordostens wieder als vom Wolf besiedelt.