Brötchen-Fahrer, Millionär, Pilot

Zum Tod von Lila-Bäcker-Gründer Volker Schülke

Heringsdorf / Lesedauer: 5 min

So manchen Höhenflug hat Volker Schülke als Unternehmer erlebt. Und auch wenn es abwärts ging, gelang es ihm immer wieder, auf Kurs zu kommen. Dass sein Leben mit einem Absturz endet, macht seinen Tod besonders tragisch.
Veröffentlicht:04.08.2020, 05:48

Von:
  • Carsten Schönebeck
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Ein praktisch denkender Mensch, so hat Volker Schülke sich schon vor fast 20 Jahren beschrieben. Damals, als seine Karriere als Unternehmer noch in den Startlöchern steckte. Als die Tatsache, dass der gebürtige Vorpommer zwei Bäckereibetriebe übernahm, nur einen Text auf Seite 14 der Anklamer Zeitung wert war. Wenige Jahre später war Schülke Chef einer der größten Bäckerei-Ketten Deutschlands.

Nüchtern und rational sind seine Antworten in den wenigen Interviews, die er in all den Jahren gab. Schülke scheute die Öffentlichkeit. Und umso blumiger wurde die Sprache derer, die über ihn und seinen Aufstieg, das Auf und Ab des Unternehmens „Lila Bäcker“, berichteten. Umso spröder hingegen wirkt die Mitteilung des Konzerns, den er einst aufbaute und mit dem er 2018 brach, nachdem ein Investor ihn und seine Vertrauten aus dem Unternehmen drängte. Ein Nachruf in wenigen Sätzen. Schülke habe das Unternehmen über viele Jahre geprägt. Sein Tod sei tragisch. Das Mitgefühl gelte der Familie.

Vom Nebenjob zur Bäckerei-Kette

Öffentlich war wenig bekannt über den 57-Jährigen, der am Sonntag mit einem 1950 gebauten Schulflugzeug für die Luftwaffe auf Usedom abstürzte und starb. Umso mehr wurde versucht, Schülke in Schubladen zu stecken – nach dem Motto: „Vom Tellerwäscher zum Millionär“. Ja, Schülke hatte, nach seiner Flucht aus der DDR, einst einen Nebenjob als Fahrer einer Großbäckerei im Ruhrgebiet. Und aus diesem Impuls entstand letztlich ein Unternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeitern mit Schülke als Chef und Mitgesellschafter des Konzerns, dass von der Ostseeküste über Brandenburg bis nach Berlin als „Lila Bäcker“ bekannt ist.

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Doch da ist auch die Seite, die so wenig rational und eher radikal erscheint. Die Flucht aus der DDR 1989. „Dass Theorie und Praxis in der DDR einfach nicht übereingestimmt haben“, sei ihm als jungem Ingenieur schnell klar gewesen, erzählte er einst. In den Betrieben seien zahlreiche Projekte gescheitert, weil das nötige Material nicht zu beschaffen war. „Deshalb habe ich zu denen gehört, die in Ungarn sofort über die Grenze sind, sobald der Zaun dort die ersten Löcher hatte.“

In den Westen geflohen und später zurückgekehrt

Mit ihm floh seine schwangere Frau, den ersten gemeinsamen Sohn ließen sie in Rubkow bei den Großeltern zurück. Schülkes Abschluss wurde zunächst nicht anerkannt, er jobbte als Lkw-Fahrer. Wenig später gab er das neue Leben im Westen auf, kehrte zurück nach Vorpommern. „Heimweh“ habe ihn getrieben. Auch das klingt nach einem, der nicht lange zaudert, der manchmal eher mit dem Bauch entscheidet als mit dem Kopf. Lange war das wirtschaftlich ein Erfolgsmodell. Schülke brachte das Konzept vom Teig-Rohling, der zentral gefertigt und in der Filiale aufgebacken wird, aus dem Westen mit. Er investierte, organisierte, scheiterte beinahe, musste zwischendurch sein Haus verkaufen, um an frisches Kapital zu kommen.

Doch am Ende vergingen nur wenige Jahre, bis sein Unternehmen Stück für Stück und Übernahme um Übernahme zu einem der größten Konzerne der Branche wurde. Mehr als 500 Filialen, mehr als 3000 Mitarbeiter waren es zwischenzeitlich. Schülke galt manchem als „Heuschrecke“, immer auf der Suche nach dem nächsten angeschlagenen Betrieb, den er sich einverleiben konnte. Niemals satt, mit dem Ehrgeiz, nicht nur „einer der Größten“ zu sein. Schülke sah das anders: Er habe weit mehr Arbeitsplätze geschaffen als zerstört und Mitarbeitern mehr bezahlt, als in der Branche üblich.

Sogar in den USA kannte man Schülkes Hangar

In den Jahren seit dem Ausstieg beim Lila Bäcker hatte sich Schülke noch weiter aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, ging Leidenschaften und Hobbys nach. Als Eigentümer und Pilot historischer Flugzeuge, Besitzer eines eigenen Hangars, genoss er hohes Ansehen in der Flugsport-Szene. Auch da trieb ihn der Ehrgeiz. Es gebe Weltranglisten, die auswerten, welcher Pilot die meisten dieser Modelle fliegt, erzählte er in einem seiner seltenen Interviews. Unter den ersten Zehn sei er bereits.

Das reichte nicht. „Volker Schülke war mit seiner einzigartigen Sammlung weltweit bekannt“, heben Vertreter der Flugsportszene die Bedeutung des Sammlers hervor. „Sogar in den USA kannte man die Exemplare aus dem Usedomer Hangar 10“, erzählt ein Flugkapitän, der selbst auf allen Kontinenten unterwegs ist. Schülke habe großen Wert darauf gelegt, die Flugzeuge seiner Sammlung so originalgetreu wie möglich zu erhalten. „Er hat sich akribisch auf die Flüge vorbereitet und die Maschinen vorher sehr exakt kontrolliert“, grübelt einer, der selbst schon mit der ein oder anderen dieser Maschinen zumindest mitgeflogen ist.

Am Sonntag um 10.15 Uhr wurde der Polizei der Absturz eines historischen Kampffliegers bei Heringsdorf gemeldet. Vorher soll es Probleme mit dem Motor gegeben haben. Die Maschine wollte direkt nach dem Start wieder zum Flughafen zurückfliegen, doch selbst dafür reichte der Schub wohl nicht mehr. Volker Schülke überlebte den Absturz nicht.