Seuchenschutz
▶ Zweiter Zaun gegen Afrikanische Schweinepest wächst
Linken / Lesedauer: 5 min

Susanne Böhm
An der Grenze zu Polen hat der Bau des zweiten Zauns zum Schutz vor der Afrikanischen Schweinepest (AFP) begonnen und wird so zügig wie möglich vorangetrieben. Rund 20 Kilometer des 1,20 Meter hohen Drahtzauns stehen zwischen der Autobahn 11 bei Pomellen und dem Grenzübergang Linken. Ziel sind rund 70 Kilometer bis auf die Insel Usedom.
„Eigentlich sollte der Zaun längst fertig sein“, sagt Rothemühls Forstamtsleiter Peter Neumann. 99 Prozent aller polnischen Wildschweine würden durch den Zaun am Grenzübertritt gehindert. Zaun Nummer zwei werde die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung noch weiter verringern. „Man will auf Nummer sicher gehen.“
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Für den zweiten Zaun sind fünf Millionen Euro veranschlagt
Rund fünf Millionen Euro, etwa drei Millionen mehr als für den ersten, sind für den zweiten Zaun veranschlagt, teilt Claus Tantzen aus MVs Landwirtschafts- und Umweltministerium mit. Die Summe setze sich nicht allein aus Bau- und Materialkosten zusammen, sondern beinhalte auch die Kosten für Kontrolle und Reparatur für einen Zeitraum von fünf Jahren. Schließlich seien extra Berufsjäger eingestellt worden, die die Zäune zwei Mal pro Woche in voller Länge abfahren. Einer von ihnen ist Sebastian Dechow.
Der 37-Jährige hat im Auftrag der Landesforst den Bau des ersten Zauns geleitet und ist nun seit ziemlich genau zwei Jahren für dessen Kontrolle zuständig. Jeden Quadratzentimeter des rund 1,50 Meter hohen Zauns kennt er „wie seine Westentasche“. Kritik, die Barriere wehre nicht nur Wildschweine ab, sondern werde für Rehe, Damwild und Rotwild zur im schlimmsten Fall tödlichen Falle, weist er zurück.
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Wildtiere arrangieren sich mit dem Zaun
Er habe erst ein einziges totes Tier am gut 60 Kilometer langen Zaun gefunden. Das Rotwild sei wohl beim Sprung über den Zaun unglücklich hängen geblieben und habe sich das Genick gebrochen. „Das ist traurig, das wollen wir natürlich nicht“, sagt Peter Neumann. Wie auch im Straßenverkehr ließen sich Unfälle aber leider nicht vollständig ausschließen. Mit den schlimmen Zuständen im brandenburgischen Überschwemmungsgebiet lasse sich der Zaun in MV hingegen nicht vergleichen. Im Gegenteil: Die vergangenen 48 Monate haben gezeigt, dass sich die Wildtiere durchaus mit dem Bauwerk arrangieren, erklärt Dechow.
Otterdurchlässe für kleinere Tiere eingebaut
30 „Übersprünge“ seien inzwischen eingebaut worden – Zaunfelder, die nur 1,20 Meter hoch sind. Rot- und Damwild komme leicht darüber, auch etwas ältere Kälber. Rehe würden den Sprung zur Not auch schaffen. Rehwild sei aber standorttreu, wandere nicht und habe darum nur dann einen Anlass zum Sprung, wenn es durch Menschen oder Wölfe beunruhigt wird. Für kleinere Tiere wie Füchse, Dachse oder Igel seien alle paar Meter „Otterdurchlässe“ eingebaut worden – Rohre, die rege genutzt werden. Alles laufe schon ruhig und entspannt, er habe aber trotzdem immer ein Auge für Möglichkeiten der Nachbesserung.
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„Wenn ich sehe, dass ein Fuchs versucht hat, sich durch den Zaun zu graben, baue ich genau an der Stelle einen Otterdurchlass ein. Das dauert keine fünf Minuten.“ Darüber hinaus stehe er mit den Pächtern der angrenzenden Jagdreviere in Kontakt. „Wenn sie mir sagen, dass Rotwild an einer Stelle häufiger versucht, über den Zaun zu kommen, baue ich dort einfach einen weiteren Übersprung.“ Er arbeite mit der Natur, nicht gegen sie. „Anders geht das gar nicht.“
Richtige Schäden gibt es selten
An manchen Stellen ist der Zaun heruntergedrückt. Das geschehe, wenn Rotwild im Sprung mit den Hinterbeinen den Zaun berührt. Richtige Schäden, die repariert werden müssen, gebe es selten. Diebstahl oder Vandalismus habe er, anders als seine Kollegen in Brandenburg, noch nicht gehabt. Nur ein Mal hätten Flüchtlinge den Zaun zerschnitten. Bundespolizisten hätten die Stelle notdürftig geflickt und ihn sofort informiert. Von seinem Wohnort Ferdinandshof könne er jede Stelle des Zauns innerhalb von 45 Minuten erreichen. „Selbst wenn mal ein Loch im Zaun sein sollte, habe ich es repariert, bevor ein Schwein es entdeckt.“ Macht er mal Urlaub, wird er vertreten.
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Auch die Wildschweine müssen geschützt werden
Man dürfe niemals vergessen, dass ASP ein sehr ernst zunehmendes Virus sei. Es gehe darum, die Hausschweine in den Massenställen zu schützen und auch die Wildschweine. „An Wildschweine denkt fast nie jemand, wenn Argumente gegen den Zaun gesucht werden. Dabei müssen wir auch sie schützen. ASP ist eine schlimme Krankheit, an der die sozialen Tiere unweigerlich und sehr qualvoll sterben“, erklärt Claus Tantzen. Sebastian Dechow betont: „Wenn es in 50 Jahren in Deutschland noch Wildschweine geben soll, dürfen wir den Kampf nicht aufgeben.“ Um das Risiko gen null zu reduzieren, sei der zweite Zaun notwendig.
Wenn die Seuche verschwindet, wird alles wieder abgebaut
Die wenigen Schweine, die es noch über die Grenze schaffen, würden den Zaun auf Straßen und Schienen umgehen. Zwar markiert Dechow solche Stellen mit nach Menschenschweiß stinkendem Wildschwein-Abwehrspray, aber das vergraule nicht jedes Schwein. Zaun zwei soll einen Korridor schaffen, in dem sich die Grenzgänger eine Weile aufhalten und von „aktiven Jägern noch weiter ausgedünnt“ werden sollen, so Hoffmann. Zusätzlich seien Viehgitter angedacht – Rollgitter, die in die Straßen eingelassen werden, sagt Dechow. Bei Nadrensee gebe es schon eins. Da traue sich das Wild nicht drüber.
Peter Neumann ist überzeugt, dass der Doppelzaun ein „wesentlicher Bestandteil im großen Mosaik der ASP-Bekämpfung“ ist. Wenn der Plan aufgeht und ASP verschwindet, soll in fünf Jahren alles abgebaut werden.
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