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Jetzt doch neue Pläne für LNG–Terminal (weit) vor Rügen

Rügen/Berlin / Lesedauer: 5 min

Ist RWE jetzt ausgestiegen aus dem LNG–Geschäft auf Rügen? Oder mischt der Energieriese doch noch mit? Auf alle Fälle ist ein alter Bekannter aus MV mit an Bord. 
Veröffentlicht:04.05.2023, 05:50

Von:
  • Andreas Becker
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Vor einigen Tagen geisterten Meldungen durch Politik– und Presselandschaft, die besagten, dass sich RWE als Betreiber eines geplanten LNG–Terminals vor oder auf Rügen zurückziehen würde. Das Pikante an der Nachricht: Als der Nordkurier jetzt sowohl beim Bundeswirtschaftsministerium als auch bei RWE nachfragte, ob dieser überraschend kurzfristige Rückzug denn auch wirklich stattfinden würde, gab es von beiden Seiten keine offizielle Bestätigung. 

RWE will kein dauerhaftes LNG–Terminal betreiben

Das Bundeswirtschaftsministerium verwies in dem Zusammenhang auf RWE und der Großkonzern mit Hauptsitz in Essen (Nordrhein–Westfalen) schickte ein durchaus unterschiedlich interpretierbares Statement. RWE sei in das Vorhaben nur als Dienstleister der Bundesregierung involviert und helfe dort, wo man könne und gebraucht werde, so heißt es aus der Presseabteilung. Man habe bereits bei der diesjährigen Bilanzpressekonferenz deutlich gemacht, dass man nicht dauerhaft–LNG Infrastruktur betreiben wolle. „Selbstverständlich wird das in Abstimmung mit der Bundesregierung erfolgen. Unsere Haltung ist somit nicht neu und natürlich auch dem Bundeswirtschaftsministerium bekannt“, so die offiziellen Pressezeilen aus Essen.

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Hört man sich ein wenig inoffiziell im Bundeswirtschaftsministerium um und liest in verschiedenen Statements zu diesem Thema zwischen den Zeilen, ist durchaus Unmut und auch eine Prise Frust im Haus von Robert Habeck (Grüne) und in der Konzernzentrale von RWE zu spüren. Der massive Protest auf Rügen gegen den ursprünglich vorgesehenen Standort des LNG–Terminals fünf Kilometer vor der Seebrücke Sellins, aber auch die offenbar mittlerweile eher zögerliche und nicht sehr entscheidungsfreudige Position der Landesregierung Mecklenburg–Vorpommerns hinsichtlich des Standorts nerven in Berlin und Essen. 

LNG–Terminal vor Rügen „schlicht eine Fehlentscheidung“

Zur Erinnerung: Nachdem sich die Landesregierung von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig vor Jahresfrist beim Kanzler noch mächtig ins Zeug gelegt hatte, um auch ein Stückchen vom reichen LNG–Kuchen an Deutschlands Küsten abzubekommen, hat der Protest von der Urlaubsinsel in Schwerin eher für kalte Füße gesorgt.

Vorläufiges Ergebnis dieser komplexen Gemengelage: Das Projekt ist mächtig ins Stocken geraten — RWE, Bundeswirtschaftsministerium und MV–Regierung sind ein Stück weit in der Sackgasse gelandet. „Die Hauptprotagonisten haben sich zerstritten und können sich noch nicht einmal mehr auf einen Standort einigen. Die richtige Schlussfolgerung aus dem massiven Gegenwind aus der Bevölkerung wäre es nun, einen Schlussstrich zu ziehen. Eine solch gewaltige und noch dazu unnötige Industrieanlage vor Deutschlands beliebtester Ferieninsel zu planen, war schlicht eine Fehlentscheidung“, sagt beispielsweise Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe.

Insofern scheint es auf den ersten Blick derzeit eigentlich eher unwahrscheinlich, dass das LNG–Terminal – ob im von der Bundesregierung favorisierten Hafen von Mukran oder sonst wo – wie ursprünglich geplant bis zum Heizwinter 2023/24 an den Start kommt.

MV–CDU–Mann Rehberg wirbt für Terminal auf der Ostsee

Eigentlich — denn gänzlich beerdigt ist das Projekt offenbar doch noch nicht. Aktuelles Indiz: Der Nordkurier ist im Besitz eines Papiers, mit dem ein guter alter Bekannter aus der Landes– und Bundespolitik derzeit Lobbyarbeit für das norwegische Unternehmen Stena Power betreibt — und einen neuen LNG–Standort 20 Kilometer vor Sassnitz beziehungsweise 18 Kilometer vor Sellin ins Spiel bringt. Eckhardt Rehberg, langjähriger mächtiger Haushaltspolitiker im Deutschen Bundestag und erfahrener sowie bestens vernetzter und einstiger Chef–CDU–Politiker aus Mecklenburg–Vorpommern, ist nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik im Herbst 2021 als Lobbyist für eine Unternehmensberatung aktiv, die für Stena Power tätig ist. Die Firma aus dem hohen Norden gilt als eine der weltweit führenden, wenn es um den Bau von LNG–Terminals geht.

Eckhardt Rehberg, ehemalige CDU-Größe aus Mecklenburg-Vorpommern, wirbt für ein LNG-Terminal weit vor Rügens Küste. (Foto: Jens Büttner)

Während Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Wirtschaftsminister Habeck nach dem vom Bürgerprotest abgeräumten Standort in Sichtweite zur Seebrücke Sellins den Hafen Mukran als neue LNG–Heimat favorisieren, rühmt Rehberg die Vorteile der Offshore–Lösung weiter draußen auf der Ostsee – inklusive „85 Prozent geringere Sichtbarkeit des LNG–Gebiets wegen der Erdkrümmung“, heißt es unter anderem in der Präsentation, die nach Nordkurier–Recherchen eben von Stena Power und wohl auch von RWE verfasst worden sei. Aus der Energiebranche ist dazu zu hören, dass RWE auf einen Standort in Mukran wenig Lust habe, beim neuen Offshore–Standort aber wieder mit im Boot sein könnte.

Zahlreiche Argumente pro Offshore–Standort

Insgesamt listet die Präsentation 12 Argumente pro neuem Offshore–Standort und kontra Mukran auf. Als besondere Vorteile für das LNG–Terminal weit draußen auf der Ostsee werden beispielsweise genannt, dass das bereits vor Sellin geplante Konzept problemlos offshore umgesetzt werden könnte, dass Material bereits vorbestellt und erste Gaslieferungen im kommenden Winter möglich seien und dass es keinen Konflikt mit Tourismus und Inselbewohnern geben würde. 

„Deshalb glaube ich schon, dass man mit diesen Argumenten die aktuelle Diskussion befrieden und konstruktiv lösen könnte“, so Rehberg im Gespräch mit dem Nordkurier. Ob diese Hoffnung am Ende politisch und wirtschaftlich trägt, werden die nächsten Tage zeigen. Denn die Zeit drängt, um ein mögliches LNG–Terminal an der Ostsee noch in diesem Jahr zu installieren.