Heringssaison
Leiden die Heringslarven jetzt unter Herzproblemen?
Thiessow / Lesedauer: 2 min

Ralph Sommer
Seit Anfang März sind die Fischereiforscher des Rostocker Thünen-Instituts für Ostseefischerei jetzt wieder im Greifswalder Bodden unterwegs, der Kinderstube des Herings. Mit ultrafeinen Spezialnetzen, den sogenannten Bongonetzen, nehmen sie Tag für Tag an 36 genau definierten Stellen im Bodden und Strelasund Wasserproben mit den winzigen, frisch geschlüpften Heringslarven.
Weil sich in diesem Winter der Bodden nicht unter fünf Grad abgekühlt habe, seien die Hering deutlich früher zum Laichgeschäft gekommen, sagt Fischereibiologe Patrick Polte. Doch noch fehle das Plankton, die erste Nahrung für die Larven, wenn sie ihren Dottersack verzehrt haben. Erst wenn es deutlich sonniger sei, entwickelten sich die lebenswichtigen Mikroorganismen.
Die Folge: Nur wenige der im Januar und Februar geschlüpften Heringslarven haben überlebt. Normalerweise wachsen die kleinen Heringe binnen drei Jahren zur geschlechtsreifen Normalgröße heran. Sollte sich abzeichnen, dass auch 2020 wieder ein schlechtes Reproduktionsjahr für den Brotfisch der ostdeutschen Küstenfischer wird, könnten Empfehlungen für weitere Fangquotenkürzungen die Folge sein.
Die Ergebnisse des Heringsmonitorings werden seit Jahren von Fischern angezweifelt. Jetzt sorgt auch noch eine neue Studie für Entrüstung in Mecklenburg-Vorpommerns Landesverband für Kutter- und Küstenfischerei. Nach Untersuchungen von Wissenschaftlern in Hamburg, Rostock und Australien leidet der Heringsnachwuchs nämlich an der schnellen Gewässererwärmung im Zuge des Klimawandels.
Nach Versuchen unter Laborbedingungen bekämen die Jungfische Herz-Rhythmus-Störungen, wenn die Wassertemperatur über 16 Grad steige, sagt Polte. „Ab einer Temperatur von 21 Grad sterben sie.“
„Herzerkrankungen beim Hering, was für eine absurde Theorie“, schimpft Verbandspräsident Norbert Kahlfuss und fragt, ob nun auch Kegelrobben bald Sonnenbrand und Schweinswale Migräne bekämen. Wohin sollen solche Erkenntnisse noch führen, fragt der ehemalige Fischer.
Kahlfuss sagte, das erinnere ihn an eine Aussage von Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne), die im Streit um die von ihr angewiesene Entleerung der Talsperre Kelbra und die Entfernung aller Fische behauptet habe, Fische würden den Vögeln die Nahrung wegfressen und selbst Jungvögel fressen.
Es werde höchste Zeit, wieder auf den Boden der Realität zurückzukommen. „Die Welt hat genügend echte Probleme, an deren Lösung sich die Wissenschaftler einbringen sollten, anstatt ihr Potenzial mit absurden Theorien zu vergeuden.“