Letzter Badejunge „made in Rügen“ geht in die Reifekammer
Bergen / Lesedauer: 3 min

In der einzigen Handkäserei Norddeutschlands sind am Mittwoch die letzten Rügener Camemberts in den traditionellen französischen Käsewannen produziert und nach einem Salzbad für mehrere Tage in die computergesteuerten Reifekammern eingelagert worden. Mit diesen fünf Tonnen Bärlauch ende eine 71-jährige und überaus erfolgreiche Insel-Tradition, sagte Werkleiterin Christina Rausch. Künftig wird die Marke „Rügener Badejunge“ im thüringischen Altenburg hergestellt.
Vor zwei Jahren hatte das Deutsche Milchkontor (DMK) die Schließung seiner kleinen Käserei auf Rügen wegen angeblich nicht kostendeckender Produktion angekündigt. Allen Protesten von Mitarbeitern und Milchlieferanten zum Trotz beharrte das größte deutsche Molkereiunternehmen mit Firmensitz im niedersächsischen Zeven auf der Verlagerung der Produktion nach Thüringen, wo inzwischen die ersten drei Reinkäsesorten unterschiedlicher Fettstufen hergestellt werden. Den Verkauf an ein anderes milchwirtschaftliches Unternehmen wie die Ostmilch GmbH, die auch Anteile an der Uckermilch GmbH in Prenzlau hält, oder an eine Neugründung auf Rügen hatte der Aufsichtsrat aus Konkurrenzgründen strikt abgelehnt.
Neue Produktionsstätte und neue Geschmacksrichtungen
Die letzten Käselaibe von der Insel Rügen werden nun nach acht bis elf Tagen Reifung in der 35. Kalenderwoche verpackt und sofort ausgeliefert. „Wir haben just in time produziert, größere Lagerkapazitäten haben wir nicht,“ betonte die Werkleiterin. Die Mitarbeiter aus der Produktion würden in den letzten Tagen des Unternehmens in der Technikwartung, in den Reifekammern sowie in der Verpackung mitanpacken.
Schon bald wird der „Rügener Badejunge“ auch in der Bärlauch-, Pfeffer- und Paprika-Variante in Altenburg produziert. Deshalb könne es gut sein, dass man in den nächsten Wochen in den Verkaufsregalen noch den traditionellen Badejungen made in Rügen und gleichzeitig schon den neuen Badejungen mit dem Herkunftszeichen TH aus Thüringen finde, sagte Rausch.
Nach Auskunft von Betriebsratschef Sven Sprenger ist die Stimmung in der Belegschaft zwar gedrückt. Allerdings hätten die Kolleginnen und Kollegen – im Unterschied zur Sassnitzer Homa-Firma Rügen Feinkost – auch ausreichend Zeit gehabt, sich nach einem neuen Job umzusehen. „Vor allem aber haben wir uns mit der Firmenleitung auf einen akzeptablen Sozialplan einigen können, der gute Abfindungen und Qualifizierungsangebote in einer Transfergesellschaft einschließt.“
Tatsächlich haben inzwischen viele der einst 58 Mitarbeiter einen neuen Job angenommen. Mehrere von ihnen wechselten zu den Standorten Altentreptow, Waren und Dargun. Drei Fachkräfte nahmen Angebote im Mukraner Fischverarbeitungswerk Euro-Baltic an, unter ihnen auch Werkleiterin Christina Rausch, die dort schon vor fünf Jahren tätig war, ehe sie in die Käserei gewechselt war.