Flüssigerdgas
Kanzler Olaf Scholz und seine Nähe zu LNG–Investoren auf Rügen
Potsdam/Rügen / Lesedauer: 4 min

Andreas Becker
Am Wochenende versuchte sich die Deutsche Regas selbst reinzuwaschen. „Die Deutsche Regas verfügt über eine transparente und robuste Gesellschafter– und Finanzstruktur. Das hat die Untersuchung durch Experten der Sozietät Hengeler Mueller, eine der bundesweit führenden Wirtschaftskanzleien, ergeben“, teilte das in Lubmin sitzende Unternehmen per Presseerklärung mit. Die Deutsche Regas selbst hatte die Wirtschaftskanzlei in quasi eigener Sache mit der Untersuchung beauftragt.
Lesen Sie auch: Pläne für LNG-Pipeline vor Rügen – ohne Prüfung der Umweltverträglichkeit
Anzeige wegen mutmaßlicher Geldwäsche
Hintergrund: Das von Aufsichtsratschef Stephan Knabe und Geschäftsführer Ingo Wagner geführte Unternehmen war als Privatbetreiber des bereits existierenden LNG–Terminals in Lubmin und des geplanten Terminals auf Rügen vom Ostseebad scharf attackiert worden. Reiner Geulen, Jurist der Gemeinde Binz, hatte der Deutschen Regas Ende Juli öffentlich einen „intransparenten Finanzierungshintergrund“ vorgeworfen. Geulen hatte einen Zusammenhang zwischen Wagner, dessen Unternehmen in Deutschland und einem Fonds auf den Cayman Islands skizziert. Außerdem hatte Geulen angekündigt, die Ergebnisse seiner Überprüfungen einer Spezialeinheit des Zolls zur Verfügung zu stellen. Damit nicht genug: Der Rechtsanwalt stellte auch Strafanzeige wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Geldwäsche. Zur Erinnerung: Allein für das Lubmin–Projekt hat das junge Unternehmen bereits 100 Millionen Kapital investiert.
Die Deutsche Regas wiederum nimmt die Vorwürfe nicht widerstandslos hin — beschreitet nun auch den juristischen Weg und hat eine Unterlassungsklage gegen Anwalt Geulen eingereicht. Diese wird am Donnerstag vor Gericht verhandelt, ein Urteil soll in der nächsten Woche folgen.
Treffen mit Scholz wirft Fragen auf
Mit den Vorwürfen durch die Gegner der LNG–Terminals an der Ostsee soll die „Reputation der Deutschen Regas beschädigt“ werden, sagte ein Unternehmenssprecher dem Nordkurier auf Anfrage. Über diese Reputation wollte sich im übrigen auch Bundeskanzler Olaf Scholz im vergangenen September informieren. Wer ist diese Deutsche Regas, die plötzlich neu gegründet worden war, die in das LNG–Geschäft einsteigen wollte, obwohl sie und deren Führungsspitze zuvor mit Energieterminals nichts zu tun hatten? Also traf sich Scholz mit Knabe in Potsdam — in seiner Funktion als dortiger Wahlkreisabgeordneter und nicht als Bundeskanzler, wie es vom Bundeskanzleramt heißt. Denn der Termin mit den Regas–Managern tauchte im Terminkalender des Kanzlers nie auf – hätte er laut Protokollpflichten des Kanzleramtes aber tun müssen.
Lesen Sie auch: Rügen klagt auf Baustopp für LNG-Terminal vor Mukran
Also sprach der Potsdamer Bundestagsabgeordnete Scholz mit den Potsdamer Unternehmer über sein privatwirtschaftliches Engagement — allein für das Lubmin–Projekt nahm das junge Unternehmen 100 Millionen Kapital in die Hände. Dagegen sind die 80.000 Euro, die Knabe und Wagner laut Süddeutscher Zeitung während der Vorbereitungen zum Bau des Terminals in Lubmin in den Kauf eines dunkelblauen BMW investiert haben, eher Peanuts. Aber mit diesem Auto – bezeichnenderweise mit dem Kennzeichen L–NG 1222 — wollten die Neulinge im LNG–Geschäft offenbar Eindruck in der Szene machen. Die Zahl „1222“ sollte im übrigen den ambitionierten ursprünglichen Starttermin des Terminals Lubmin im Dezember 2022 symbolisieren.
Anreise mit dem Helikopter
Der Eindruck des Kanzlers beziehungsweise des Abgeordneten Scholz nach dem 30–minütigen Gespräch an jenem September–Tag 2022 in Potsdam muss durchaus positiv gewesen sein. Schließlich begleitete der SPD–Politiker das LNG–Projekt in Lubmin anschließend intensiv — war auch beim Start des Terminals im Januar vor Ort an der Ostseeküste. Eingeflogen aus der Hauptstadt mit Helikopter – höchstwahrscheinlich dann wieder in seiner Funktion als Kanzler. Denn welcher einfache Bundestagsabgeordnete kommt schon per Hubschrauber zum Termin. Und: Scholz hatte bei der Eröffnung des Terminals den Einsatz von Knabe und Wagner als neues „Deutschlandtempo“ gepriesen.
Auch beim sich jetzt in der Planung befindlichen LNG–Terminal auf Rügen, das ebenfalls von der Deutschen Regas betrieben werden soll, ist Scholz mit von der Partie. Bereits im Frühjahr versuchte der Kanzler, die Widerständler auf Rügen zu besänftigen und gut Wetter für das Regas–Projekt zu machen. Bisher vergebens – wie die unerbittlichen Klagen und Strafanzeigen beweisen. Die Gegner des LNG–Terminals auf der Urlaubsinsel befürchten durch den Bau der riesigen Anlage und des inkludierten Schiffsverkehrs massive negative Auswirkungen auf Tourismus und Umwelt.
Aufklärung der Vorwürfe gewünscht
Im von Robert Habeck (Grüne) geführten Wirtschaftsministerium sehen die Verantwortlichen die Vorwürfe gegen die Deutsche Regas offenbar mit ein wenig mehr Sorgen als im Kanzleramt. Auf Nordkurier–Anfrage sagte am Montag eine Sprecherin des Ministeriums: „Die Bundesregierung hat keinerlei Vertragsbeziehungen zur Deutschen Regas. Wir gehen davon aus, dass das Unternehmen die erhobenen Vorwürfe entsprechend aufklärt.“ Das Kanzleramt wollte über mögliche persönliche Eindrücke des Kanzlers zu den Machern der Deutschen Regas keine Auskunft geben.