Jetzt spricht ein Eisenbahner
„Das ist der Albtraum jedes Lokführers“
Prenzlau / Lesedauer: 3 min

Claudia Marsal
Karsten Müller (Name geändert) haben die Berichte im Uckermark Kurier über den Unfalltod des 13-jährigen Jungen aus Schwedt tief bewegt: „Das ist für die Angehörigen mit Sicherheit das Schlimmste, was einer Familie passieren kann. Eine riesige Katastrophe für alle, die den Jungen kannten, gar keine Frage.“ Gleichzeitig bedauert er folgenden Umstand: „Leider habe ich bisher mit keiner einzigen Silbe gelesen, dass der Tag des Unfalls mit ziemlicher Sicherheit auch der schwärzeste Tag im Leben des Lokführers gewesen war. Die Arbeit als Lokführer ist mitunter leider sehr gefährlich; wie auch die Unfälle in jüngerer Zeit, zum Beispiel bei Templin (Lokführer vom Ast erschlagen) oder kürzlich der Frontalzusammenstoß zweier S-Bahnen in München zeigen.“
Nicht an Regeln gehalten
Zudem seien viele Menschen auch sehr unvernünftig und hielten sich nicht an die Regeln, beklagt der Uckermärker: „Unfälle mit Kindern sind dabei jedoch für jeden Lokführer der absolute Albtraum! Ich kenne den betreffenden Kollegen nicht, zumal ich auch nicht bei der DB arbeite, sondern bei einem anderen Bahnunternehmen tätig bin. Aber mit Sicherheit wird dieser Unfall eine äußerst traumatische Erfahrung für den Kollegen sein, und wenn er Pech hat, wird er unter Umständen nie wieder als Lokführer arbeiten können.“ Es gebe Eisenbahner, die nach solchen „Ereignissen“, wie es im Bahndeutsch trocken heißt, zu einem sozialen und menschlichen Wrack würden, weil sie nicht darüber hinweg kämen, weiß der Prenzlauer.
Familien zerbrechen
„Da gehen manchmal auch Familien kaputt. Denn so ein Trauma macht natürlich etwas mit einem, wenn man mitbekommt, wie ein Mensch überrollt wird. Vor allem das Gefühl, dass man den Unfall nicht verhindern konnte, da ein Zug aufgrund physikalischer Gegebenheiten, die zu erklären jetzt zu weit führen würde, viel schlechter bremst als ein Auto, ist für viele Kollegen das Schlimmste daran.“
Lesen Sie auch: 13-jähriger Radfahrer in Schwedt von Zug erfasst
Karsten Müller möchte das große Drama des Todes des Jungen mit seinen Worten in keiner Weise relativieren oder kleinreden: „Im Gegenteil. Denn als Eisenbahner bekommt man ja immer wieder auch andere Unfälle mit, die es gar nicht so groß in die Medien schaffen. Ich würde mir aber wünschen, dass den Lesern die Gefahren des Bahnverkehrs besser verdeutlicht werden, damit so etwas möglichst nicht mehr passiert.“
Und dass sich jeder Verkehrsteilnehmer wirklich unbedingt an die Regeln halten sollte, zum Beispiel das Andreaskreuz vorm Bahnübergang und die durchgezogene weiße Linie auf dem Bahnsteig beachten. Diese Regeln gebe es nämlich nicht umsonst, sondern sie seien leider zum Teil eben auch aufgrund schwerer, tödlicher Unfälle erstellt worden. „Und ich wünsche mir, dass zumindest mal in einem Halbsatz erwähnt wird, dass solche Unfälle auch für die Lokführer eine Tragödie sind. Da ich die Gefahr sehe, dass viele Leser mich falsch verstehen würden, bitte ich darum, dass weder mein richtiger Name noch der Name meiner Firma in der Öffentlichkeit genannt werden.“