Professor beklagt

„Menschen werden aufgehetzt”

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

Wissenschaftler Michael Meyen geht mit den Medien hart ins Gericht: Wenn der Journalismus seinen Job gemacht hätte, dann wäre diese Krise anders gelaufen.
Veröffentlicht:11.08.2021, 11:00
Aktualisiert:06.01.2022, 22:06

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Am Donnerstag, dem 19.  August, kommt Michael Meyen in die Malchower Kirche, um dort bei Pfarrer Thomas Dietz öffentlich über seinen Spiegel-Bestseller „Die Propaganda-Matrix“ zu diskutieren. Redakteurin Claudia Marsal hat mit Michael Meyen über das gesprochen, was ihn im Moment umtreibt.

Wie erleben Sie die Coronakrise?

Als Einschnitt. Ich bin mit meiner Frau aufs Land gezogen, weil wir es in München nicht mehr ausgehalten haben. Die Stadt war immer schon voll, laut und schmutzig. Jetzt bietet sie nichts mehr von dem, was uns dort gehalten hat.

Haben Sie ein Beispiel?

Wir haben direkt neben einem Programmkino gewohnt, ganz bewusst. Jede Woche zwei oder drei Filme. Heute sitzt man dort in riesigen Abständen und manchmal noch mit Maske. Man hat keine Chance, im Foyer irgendetwas aufzuschnappen oder zu spüren, wie andere auf den Film reagieren. Ein paar Schritte weiter ist der Olympiapark. An manchen Tagen waren da mehr Polizeiautos unterwegs als Jogger.

Macht Ihnen das mehr Angst als das Virus?

Eindeutig, ja. Alles dreht sich nur noch um dieses eine Thema. Die Menschen werden gegeneinander aufgehetzt und reden nicht mehr über das, was wirklich wichtig wäre. Arm und reich zum Beispiel. Dass diese Schere ganz real ist und immer weiter aufgeht, sieht man in München genauso wie den Dreck, der die Luft verpestet.

In Ihrem Buch machen Sie die Medien mitverantwortlich.

Ja. Wenn der Journalismus tatsächlich seinen Job gemacht hätte, dann wäre diese Krise ganz anders gelaufen. Dann würden wir heute nicht vor dem nächsten Lockdown zittern.

Was hätte der Journalismus Ihrer Meinung nach tun sollen?

Pro und Contra veröffentlichen – und zwar so, dass wir eine Chance haben, wirklich darüber nachzudenken. Zahlen einordnen und nicht nur nachbeten. Was steckt hinter der Inzidenz? Wie viele Tests gab es, wie viele Menschen sind tatsächlich krank? Keine Angst machen. Angstmacher in die Schranken verweisen. Politikerfestnageln auf das, was sie vor ein paar Wochen behauptet haben und was sich schon wenig später als Unsinn herausgestellt hat. Kritik und Kontrolle. Wir zahlen Rundfunkbeiträge oder Abonnements ja nicht, um Regierungspropaganda zu bekommen.

Sehen Sie das wirklich so schwarz?

Es gibt Lichtblicke, klar. In der Bildzeitung, aber auch im Nordkurier. Manche Texte von Simone Schamann oder Jürgen Mladek sind sogar bis zu mir nach München gekommen. Man muss die Welt nicht genauso sehen, aber wenigstens offen darüber diskutieren können, ohne gleich abgewertet zu werden. Journalismus muss alle Seiten hören und darf nicht Partei ergreifen, selbst dann nicht, wenn die Redaktionen glauben, dass sie dazu auserkoren sind, die Welt von einem Virus zu befreien und uns alle zum Impfen zu bringen.

Warum fehlt diese Debatte gerade in den großen Medien oft?

Das hat mit Abhängigkeiten zu tun und mit Nähe. Die Leitmedien sind einer der Gewinner dieser Krise. Das Bundesverfassungsgericht hat gerade beschlossen, dass der Rundfunkbeitrag erhöht werden darf, obwohl der Landtag von Sachsen-Anhalt ja dagegen war. Künftig haben die Parlamente da nicht mehr viel zu sagen. Die Presse hat zwar viele Anzeigen verloren, aber der Staat und seine Behörden haben kräftig in ihre Kampagnen investiert und außerdem die Konkurrenz im Internet zurechtgestutzt. Wer dort der herrschenden Erzählung widerspricht, wird schnell gelöscht oder mit dem Stempel Fake News stumm gemacht.

Haben Sie selbst Anfeindungen erlebt?

Es gab böse Texte in der Süddeutschen und im BR. Ich fand schon erstaunlich, was Journalisten aus der Wirklichkeit machen können, wenn sie mein Leben und meine Arbeit durch die Brille ihrer Mission sehen. Man kann das zwar alles theoretisch erforschen, richtig klar ist mir das aber erst geworden, als es mich selbst betroffen hat.

Und privat?

Da ist es wahrscheinlich wie bei allen. Manche Freunde sind fort, aber dafür sind neue dazugekommen.

Warum wagen Sie sich aus der Deckung und kritisieren den Journalismus öffentlich?

Ich habe in der DDR erlebt, was aus einer Gesellschaft wird, wenn die Kommunikation blockiert ist, und den 89er Herbst dann als Befreiung erfahren. Das Versprechen hieß publizistische Vielfalt. Daran messe ich die Leitmedien seitdem.

Wie kommt Deutschland wieder raus aus Angst und Spaltung?

Indem wir miteinander reden und den anderen zuhören. Der Journalismus kann dafür den Ton setzen.

Nehmen Sie aus der aktuellen Krise irgendetwas Positives mit?

Die vielen Menschen, die ich kennenlernen durfte. Thomas Dietz zum Beispiel. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, in eine Kirche in der Uckermark zu kommen. Jetzt bin ich dankbar, dass ich das erleben darf.

Anmeldung zum Vortrag: Telefon: 039854 546