StartseiteRegionalUckermark„Stell dir vor, dein Mann hat einen Herzinfarkt ...”

Retter in Not

„Stell dir vor, dein Mann hat einen Herzinfarkt ...”

Prenzlau / Lesedauer: 4 min

... und niemand kommt.” Der Uckermärkische Rettungsdienst solidarisiert sich mit Kollegen, die in der Silvesternacht um ihr Leben fürchten mussten.
Veröffentlicht:17.01.2023, 08:37

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Gut zwei Wochen nach den Silvesterausschreitungen von Berlin sind die dortigen Gewaltexzesse gegen Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter weiter Thema in der Bevölkerung, vor allem aber bei den Beschäftigten dieser Branchen. Dass Kollegen von ihnen in der Hauptstadt mit Raketen und Böllern beschossen worden sind und um ihr Leben fürchten mussten, macht auch den Kollegen der Uckermärkischen Rettungsdienstgesellschaft mbH (URG) nach wie vor zu schaffen. „Auch wenn es derlei Eskalation in der Region bislang so nicht gegeben hat, wollen wir uns mit den Betroffenen solidarisieren“, betont Geschäftsführer Mike Förster auf Nachfrage des Uckermark Kurier.

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Ganz fremd sei seinen Mitarbeitern diese Problematik zwar nicht, schränkt er ein: „Es kommt schon mal vor, dass Betrunkene rumpöbeln oder handgreiflich werden. Das ist leider schon normaler Alltag für uns.“ Die Randale von Berlin zeuge allerdings von einer neuen Qualität, die nicht hingenommen werden dürfe.

Kurzes Video gedreht

Deshalb ist in Prenzlau jetzt ein kurzes Video entstanden, das in den sozialen Netzwerken bereits viel Beachtung erfährt. Zu Wort kommt in dem kleinen Clip neben der angehenden Notfallsanitäterin Jenny Stock auch URG-Ausbildungsleiter Thomas Ribbeck. Beide appellieren an die Menschen, die Folgen ihres Tuns zu bedenken: „Denn wenn Hilfe zur Gefahr wird, läuft man Gefahr, dass es bald keine mehr geben wird.“ Jeder solle sich einmal vorstellen, was ist, „wenn deine Frau ein Kind bekommt oder dein Mann einen Herzinfarkt hat, und wir zu spät kommen, weil wir ausgebremst, beschimpft oder gewaltsam angegangen worden sind“, heißt es in dem emotionalen Film aus der Uckermark. Keine Gewalt gegen Retter – das ist die Botschaft.

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Mike Förster ist bewusst, dass sich das schlimme Geschehen der Silvesternacht ganz in der Nähe abgespielt habe: „Berlin ist ja nicht weit. Es kann ganz schnell auch mal einen von uns treffen. Deshalb müssen wir vereint Flagge zeigen im Rettungsdienst.“ Nicht nur für seine Belegschaft wünscht sich der Geschäftsführer eine kompromisslose Ahndung der Vergehen. Dass kurz nach den Krawallen alle Täter wieder auf freien Fuß gesetzt worden seien, „ist ein Hohn für die Betroffenen und alle Beschäftigten im Rettungsdienst. Das geht einfach nicht. Hier ist die Politik gefragt. Es ist unvorstellbar, dass man die Täter damit durchkommen lässt. Wir haben doch die rechtlichen Möglichkeiten in Deutschland, dem einen Riegel vorzuschieben. Dann muss man sie auch ausschöpfen.“ Diese Debatte dürfe einfach nicht im Sande verlaufen, sonst spitze sich auch das Nachwuchsproblem, das nicht nur der Rettungsdienst, sondern auch die Polizei und die Feuerwehr habe, weiter zu, ist sich der Uckermärker bewusst.

Anti-Gewalt-Training

Um die Kollegen für derartige Vorkommnisse zu wappnen, bietet die URG seit über einem Jahr ein Anti-Gewalt-Training an, das sie besser auf Ausnahmesituationen vorbereiten soll. „Wenn sich die Wut allerdings so geballt wie in der Hauptsstadt entlädt, hat man auch damit keine Chance“, ist dem URG-Chef klar. Deshalb manifestiert er nachdrücklich die Forderung an die Politik, Konsequenzen zu ziehen und sich schützend vor die Retter zu stellen.

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Der Uckermark Kurier hatte vergangene Woche berichtet, dass im Zusammenhang mit den Ausschreitungen 145 Menschen vorläufig festgenommen worden waren, die meisten davon Männer, wie ein Polizeisprecher sagte: Alle Verdächtigen seien nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen wieder auf freien Fuß gekommen. Es seien laut Polizei insgesamt 18 verschiedene Nationalitäten erfasst worden. 45 der Verdächtigen hätten die deutsche Staatsangehörigkeit. 27 Verdächtige hätten eine afghanische Nationalität und 21 eine syrische. Insgesamt hätten damit 100 der beteiligten Gewalttäter einen Migrationshintergrund. Wegen der Krawalle seien insgesamt 355 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Ermittelt werde unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Rettungskräfte, gefährlicher Körperverletzung und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion.