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Ungeimpfte empört

„Das ist also der Dank dafür ...“

Prenzlau / Lesedauer: 5 min

Daniela Kuhn hat wie viele Pflegekräfte bis an die Belastungsgrenze gearbeitet. Dass ihr Job in Gefahr ist, weil sie ungeimpft ist, findet sie schlimm.
Veröffentlicht:13.01.2022, 16:57

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Daniela Kuhn ist müde. Müde, immer wieder die selben Fragen beantworten und sich immer wieder erklären zu müssen: „Warum ich noch nicht geimpft bin. Warum ich auf die Montagsspaziergänge gehe. Wieso ich so sehr mit Corona, den Begleitumständen und der Impfpflicht hadere.“ Dabei liege das auf der Hand, ist die gebürtige Templinerin überzeugt. Denn sie wisse, wovon sie spreche und vor allem, worüber sie sich ein Urteil bilde.

+++ Angehörige sauer über Besuchsverbot im Heim +++

Daniela Kuhn arbeitet dort, wo das Thema seit März 2020 die allergrößte Rolle spielt – in der Pflege. Sogar in leitender Funktion, sie trägt seit Januar 2017 als Chefin Verantwortung für die Mitarbeiter und Bewohner eines Heimes. Die Mutter eines Sohnes (18) und zweier Töchter (16) arbeitet gern dort. Sie liebt ihren Job. Und genau deshalb kann sie nicht mehr still sein. „Ich bin ein Mensch wie jeder andere und möchte wie viele andere Kollegen im medizinischen Bereich eigenverantwortlich für mich selbst entscheiden können, ohne dafür verurteilt zu werden. Denn mit meiner Entscheidung schädige ich niemanden.“

Das war viel schlimmer

Um das zu erklären, führt die 43-Jährige ihre „eigene, ganz persönliche Corona-Krise“ an: „Mit Corona kam verdammt viel Arbeit auf uns zu. Regelmäßige Listen, Statistiken und Lageberichte waren noch das kleinere Übel. Viel schlimmer war die nicht vorhandene Schutzausrüstung, dass die Kitas und Schulen plötzlich schlossen und Zugangsbeschränkungen für Pflegeeinrichtungen kamen. Viele unserer Pflegebedürftigen bauten enorm ab in dieser Zeit oder verstarben sogar wegen der sozialen Isolation. Wir in der Pflege haben zwar einen engen Kontakt zu unseren Bewohnern, können aber niemals – auch schon wegen der knappen Besetzung – die Angehörigen ersetzen.“

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Zu der nicht vorhandenen Schutzausrüstung hätten damals, so die Heimleiterin, Häubchen, Visiere, Schutzbrillen, feuchtigkeitsundurchlässige Kittel, FFP-Masken und Füßlinge gehört: „Am Anfang haben wir uns den Mundschutz selbst genäht. Hinzu kam, dass schützende Einmalartikel wegen der Ressourcenschonung sogar mehrfach verwendet wurden. Es musste natürlich auch geschult werden, denn sich selbst be- bzw. entkleiden mit eventuell infektiöser Schutzkleidung ist nicht so einfach, und das Ganze sollte in den schon ohnehin knappen Tagesplan passen. Auch das Atmen durch eine FFP-Maske ist bei körperlicher Anstrengung nicht einfach. Was dieses Erscheinungsbild bei einzelnen, vor allem dementen Bewohnern angerichtet hat, muss ich nicht näher erläutern.“

Mit voller Wucht

Im Januar 2021 habe das Virus auch ihre Einrichtung mit voller Wucht getroffen. Fast alle Pflegebedürftigen und ein sehr großer Anteil der Mitarbeiter seien positiv getestet worden. Daniela Kuhn erinnert sich: „Alle positiven Mitarbeiter, auch die ohne Symptome, mussten in Quarantäne. Demzufolge war nur eine Handvoll übrig, die arbeiten durfte. Die Pflegebedürftigen waren fast alle positiv. Einige mussten sogar im Krankenhaus betreut werden, einige starben. Solche Krankheitswellen kennen wir in der Pflege aber. Die haben wir jedes Jahr mit der Grippe, nur mit dem kleinen, feinen Unterschied, dass nicht der Großteil des Personals in Quarantäne muss. Eine große Unterstützung in dieser Zeit war der Rettungsdienst, der dafür extra einen Mitarbeiter abgestellt hatte, denn in dieser Zeit wollte kaum ein Arzt die Einrichtung betreten. Unserer Hausärztin hatte unsere Pflegebedürftigen zwar schon im Vorfeld mit Bedarfsmedikation und Sauerstoff versorgt, so dass wir die Patienten schnell mit den notwendigen Mitteln versorgen konnten. Leider konnte sie die Betreuung bei uns nicht weiter vornehmen, weil sie sich trotz Schutzmaßnahmen selbst mit Corona infiziert hatte. Es wurden nun auch Schüler, Betreuungskräfte und Hausmeister eingesetzt, um die Pflege weiter zu gewährleisten. Man darf nicht vergessen: Wir arbeiten mit Menschen, die kann man nicht einfach mal in den Schrank stellen, nur weil man zu wenig Leute hat. Ich habe mich in dieser Zeit fast täglich von morgens 7 Uhr bis abends 22 Uhr in der Einrichtung aufgehalten. Die übrig gebliebenen, negativ getesteten Kollegen mussten nun die Versorgung der infizierten und teilweise auch kranken Pflegebedürftigen sicherstellen, wohlbemerkt noch ohne Impfschutz.”

Viele Doppeldienste

„Ich weiß nicht mehr wie, aber irgendwie haben wir das mit Doppeldiensten und Zähne zusammenbeißen geschafft. Es war für alle Beteiligten eine verdammt harte Zeit, von der wir uns bis heute nicht erholen konnten. Und wo stehen wir jetzt im Januar 2022? Pflegekräfte sind immer noch Mangelware. Ja, wir haben jetzt einen Impfstoff, der die vulnerablen Personengruppen hoffentlich vor einem schweren Verlauf schützt. Was wir aber schon ziemlich sicher wissen, ist aber auch, dass es bei diesem Impfstoff keinen Fremdschutz gibt. Warum dann bitte eine Impfpflicht für die Pflege oder gar eine generelle Impfpflicht? Ich habe es geschafft, mich trotz immer wieder kehrender Kontakte mit Erkrankten ein ganzes Jahr nicht mit Corona zu infizieren. Mein Immunsystem scheint hervorragend zu funktionieren. Warum darf ich jetzt nicht selbst entscheiden, ob ich diese Impfung möchte oder nicht? Bin ich jetzt ein schlechter Mensch? Ist alles, was wir bisher geleistet haben, völlig egal? Diese Geschichte greift mittlerweile tief in mein Privatleben und meine berufliche Existenz ein. Freunde und Familie wenden sich teilweise ab. Es sind mittlerweile viele Menschen geworden, die mich für meine Entscheidung verachten, verspotten und sogar beschimpfen. Man wird in die rechte Ecke geschoben, als radikal oder sogar gewalttätig beschimpft.“

Daniela Kuhn resümiert bitter, dass sich diese Impfpflicht, nach allem, was man geleistet habe, wie ein riesiger Tritt in den A... anfühle: „Wenn das umgesetzt wird, dürfen viele Mitarbeiter ab dem 16. März nicht mehr an ihren Arbeitsplatz. Ist man sich bewusst, was das für Konsequenzen hat? Nicht nur für die Menschen, die medizinisch versorgt werden müssen, sondern auch für die betroffenen Kollegen? Es werden ohne jegliche logische Grundlage Existenzen zerstört. Das ist also der Dank.“