Nachruf
... und jetzt ist die fleißige „Rosel” tot
Schmachtenhagen / Lesedauer: 5 min

Claudia Marsal
Rosemarie Jabs, geborene Reinhart, kam am 3. März 1933 zur Welt. An einem Schnapszahldatum, „welches es der Familie und den Freunden natürlich sehr schwer machte, ihr Wiegenfest zu vergessen: 3.3.33…“, wie ihr Sohn Jürgen sagt. Dem 68-Jährigen ist aktuell ganz schwer ums Herz. Seine Mutter schlief vor kurzem zwei Monate vor ihrem 90. Geburtstag friedlich ein. Es sei für sie eine Erlösung gewesen, weiter mag die Familie die Todesumstände der alten Dame gar nicht ausführen. Sie habe schließlich ein gesegnetes Alter erreicht. Vor der Beerdigung hat Jürgen Jabs das Lebens der Dorfältesten von Schmachtenhagen kurz skizziert und seine Aufzeichnungen dem Uckermark Kurier zur Verfügung gestellt, dessen treue Leserin sie seit Jahrzehnten war. Die von allen nur „Rosel“ Genannte erlernte in Sternhagen einst den Beruf einer Buchhalterin. 1951 fand die attraktive junge Frau auf dem Tanzboden in Birkenhain dann die Liebe ihres Lebens. 1952 heiratete sie Emil Jabs. Gemeinsam beackerten die Einzelbauern Bodenreformland in ihrem Heimatdorf. Der Anfang auf dem Bauernhof war schwierig genug: Kein Geld, ein klappriges Pferd und eine magere Kuh, die kaum Milch gab. Große Probleme gab es für die Neubauern auch wegen der staatlichen Auflagen für Ackerbau und Viehzucht.
Fleißige Bäuerin
Aber durch unbändigen Fleiß bei der harten Arbeit füllten sich langsam Scheune und Schweinestall. Die Bauersfrau schuftete nicht nur auf dem Acker. Sie kümmerte sich um den Garten, die Haustiere, den Haushalt und nicht zuletzt um drei Kinder, die viel Schwung in den von ihr allein organisierten Familienalltag brachten. Infolge der sozialistischen Zwangskollektivierung traten die beiden Landwirte 1960 in die LPG „Walter Ulbricht Schmachtenhagen“ ein. Dort arbeitet „Rosel“ als Finanzbuchhalterin, später war sie durch den Zusammenschluss mehrerer LPG in der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion Gollmitz beschäftigt.
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Die Arbeit wurde keinesfalls weniger. Tagsüber im Büro und abends war die Genossenschaftsbäuerin auf dem Hof und im Garten zu finden, so konnte der familiäre Speiseplan nach heutigen Gesichtspunkten ökologisch vorbildlich ergänzt werden. Noch bis vor Kurzem wurden auf dem Feld hinter ihrer Scheune Kartoffeln angebaut. Und es ist keine Mär: Die Frau wurde vor vielen Jahren von ihrem Mann wirklich zum Häufeln vor den Pflug gespannt, den eigentlich ein Pferd ziehen sollte.
Köstliche Marmeladen
Das Kuchenbacken war ihr eine große Freude, leider wurden nicht alle Rezepte überliefert. Unvergessen sind ihre köstlichen Marmeladen, die Früchte erntete sie selbstverständlich in der Umgebung des Zuhauses. Schon früh begann ihr soziales Engagement, als sie half, die Schulklassen der Kinder bei Ferienspielen zu betreuen. Später umsorgte sie ortsansässige Rentner und unterstützte noch später die Organisatoren der Dorffeste. Darüber berichtete sogar die Prenzlauer Zeitung, deren treue Leserin sie zeitlebens war. Letztendlich war sie die beliebte und geachtete Dorfälteste Schmachtenhagens.
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Großen Wert legte Rosemarie Jabs immer auf die Erziehung ihrer Kinder, aus ihnen sollte „was werden“. Da gab es durchaus strenge Regeln für die Leistungen in der Schule und die Aufgaben auf dem Hof. Sie sollten einen vernünftigen Beruf erlernen, passende Partner finden, intakte Familien gründen und gute Menschen werden. Das klappte wohl. Und schließlich machten fünf Enkel und fünf Urenkel die altersmilde Frau sehr glücklich. Die Berliner Enkel hatten nicht die geringste Ahnung vom Leben auf dem Lande. „Ferien auf dem Bauernhof“ bedeutete, dass sie die Eier aus den Hühnernestern sammeln durften und zählen mussten. So wurde die Großmutter liebevoll „Oma Eier“ getauft. Großes Gelächter brach aus, als einer beim Anblick des Erpels erstaunt bemerkte: „Oma, ihr habt aber große Tauben!“ Als er ein Schaf beim Nachbarn sah, rief er: „Oh, seht mal, ein richtiger Bär!“ Mit fortgeschrittenem Alter als Rentnerin gab es in der Freizeit nicht nur Arbeit. Mit Freunden traf sie sich zu Radtouren in die wunderschöne uckermärkische Landschaft.
Bodenständig, umsichtig und sparsam
In Gollmitz beteiligte sie sich am Rentnersport, und in Lindenhagen saß sie an der Kaffeetafel der Kirchengemeinde. Wenn man den Charakter beschreiben wollte, könnte man sagen: fleißig, bescheiden, bodenständig, umsichtig, sparsam. Eine starke Frau mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Rosemarie Jabs kann man somit als waschechte, typische Uckermärkerin bezeichnen. Fest verwurzelt in der Heimat – sie verreiste sehr selten und nie in die große weite Welt. Schon Simon Herz beschrieb die Uckermärker 1790 so: „… sie haben starke Leibeskräfte, sind zu mühsamen, anhaltenden Arbeiten geschickt und haben – einzelne leichtsinnige, lüderliche Menschen ausgenommen –, keinen Hang zur üppigen Verschwendung …“ Das traf auf sie zu.
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Was bleibt im Gedächtnis von einem arbeitsreichen, entbehrungsreichen und unspektakulären Leben? Hat sie Spuren hinterlassen? Konnte man was lernen? Ihre Familie versucht, das vorgelebte Leben von „Oma Eier“ als Anregung für das eigene Dasein zu verstehen. Und das ist sehr viel. Die sie liebenden Hinterbliebenen werden ihrer Trauer viel Zeit geben müssen. „Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“ (Dietrich Bonhoeffer)
Die Trauerfeier findet am 21. Januar um 15 Uhr auf dem Prenzlauer Friedhof statt.